Atom soll Klima retten

Die Landesregierung macht sich für für „umweltfreundliche Energieformen“ zum Klimaschutz stark. Dazu zählt das Kabinett auch die Atomkraft. Umweltschützer sprechen von „Erpressung“

VON ANDREAS WYPUTTA

Im Kampf gegen die Erderwärmung setzt Nordrhein-Westfalens Landesregierung immer stärker auf Atomkraft. Gemeinsam mit Umweltminister Eckhard Uhlenberg unterzeichnete Wirtschaftsministerin Christa Thoben (beide CDU) gestern die Montréal-Deklaration, in dem sich regionale Regierungen zur „Verwendung und Förderung sauberer und umweltfreundlicher Energieformen“ verpflichten. Eingebettet ist die Deklaration aber in ein energiepolitisches Programm, dass vom Kabinett am 13. Februar beschlossen wurde. Einer der Schwerpunkte: Ein Forschungskonzept für „CO2-freie Kraftwerkstechnik im fossilen und nuklearen Bereich“.

In der Montréal-Deklaration selbst, die bereits von verschiedenen US-Bundesstaaten wie Kalifornien, aber auch Süd-Australien, Oberösterreich und Bayern ratifiziert wurde, wird die Nutzung der Atomkraft nicht ausgeschlossen. Die Atomenergie wird in diesem sechsseitigem Klimaschutzpapier der Regionen mit keinem Wort erwähnt.

Einzelnen Regierungsmitgliedern reicht selbst das aber nicht aus: So fordert der stellvertretende Ministerpräsident Andreas Pinkwart (FDP) längere Laufzeiten für Atommeiler. „Bei einer Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen Kernkraftwerke sollten die Stromkonzerne ein Drittel ihrer Profite in die Energieforschung stecken“, sagte der Forschungsminister der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Das sei „auch ein Beitrag zum Klimaschutz“, glaubt Pinkwart.

Der stellvertretende Regierungschef steht damit stellvertretend für die gesamte Landesregierung. Bereits Anfang vergangenen Jahres hatte CDU-Wirtschaftsministerin Christa Thoben für Thorium-Hochtemperatur-Reaktoren (THTR) geworben – dabei hatte ein THTR in Hamm-Uentrop Ende der achtziger Jahre stillgelegt werden müssen.

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers selbst hält sich dagegen in der Debatte auffällig zurück. Der Regierungschef wisse, dass die Atomkraft wegen der ungeklärten Atommüll-Entsorgung in Deutschland nicht mehrheitsfähig sei, wolle „sich nicht verkämpfen“ und vermeide deshalb eine klare Aussage zur Atomkraft, heißt es in seiner Umgebung. Vize-Regierungschef Pinkwart habe seine Forderung nach längeren Laufzeiten nicht im Namen der Landesregierung erhoben: „Herr Pinkwart hat sich als FDP-Landesvorsitzender geäußert“ – schließlich gebe es in Nordrhein-Westfalen keine laufenden Atomkraftwerke.

Scharf kritisiert wird Pinkwart auch Anti-Atom-Initiativen und den Grünen. Der Forschungsminister verschlafe die Innovation der erneuerbaren Energien, warnt Reiner Priggen, Fraktionsvize der Grünen im Landtag. „Schlichte Erpressung“ ist die Forderung nach längeren Laufzeiten für Mattias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen: „Regenerative Energien werden nur eingeführt, wenn die Atommeiler bis in alle Ewigkeit weiterlaufen.“