Normalzeit
: HELMUT HÖGE * über schlampige Recherchen

* Der Autor ist Träger der Benno-Martiny-Medaille in Bronze für sauberen Journalismus 1985

Es gilt, einige Kleinigkeiten in der letzten Kolumne über den „Goldenen Hahn“ zu korrigieren. Mich rief das „Prima Künstlermanagement“ von Jürgen von der Lippe in der Person von Stephanie Krink-Pehlgrimm an: Wie ich dazu käme, Herrn von der Lippe mit dem baldigen Weltkulturerbe „Goldener Hahn“ in Verbindung zu bringen, er kenne diese Kreuzberger Kneipe überhaupt nicht. Auch hätte er nie eine Firma namens „Lippe Live GmbH“ gehabt.

Ich verwies die Dame an den Verleger Kramer sowie an den Autor Kapielski, die beide ein Buch über den „Goldenen Hahn“ herausgegeben hätten, das ich in der Kolumne nur zitierte. Kramer nahm dann auch „schnellstmöglichen Kontakt“ mit ihr auf. Unter anderem schrieb er: „Bei allem Respekt vor den Fernsehleistungen und der Garderobe Herrn von der Lippes: Ich glaube kaum, dass es ihm im ‚Goldenen Hahn‘ gefallen würde, denn die Stammgäste reagieren äußerst unwirsch, was Kleidung und Gebaren Fremder anbelangt; das Stammpersonal ist sehr wählerisch.“

In Bezug auf die ominöse „Lippe Live GmbH“ schob er jedoch alle Schuld auf mich. Ich war empört, aber nach erneuter Buchlektüre musste ich ihm Recht geben: die „Lippe Live GmbH“ war meine Erfindung. Geirrt hatte ich mich außerdem mit der Behauptung: Die Kneipe „Goldener Hahn“ habe zugemacht, als Inge in Rente ging. Denn kein Geringerer als Klaus aus dem Vogelsberg führte sie weiter. Und nicht nur das: Inge und ihre Zapferin arbeiteten sogar wieder im Goldenen Hahn, und ihr für Live-Auftritte dort Verantwortlicher – Erik – war auch weiterhin tätig.

Das erfuhr ich aber erst vor wenigen Tagen, als dort der Schriftsteller und Slampoet Hadayatullah Hübsch auftrat – nachdem das taz-Café ihn abgewiesen hatte. Letzteres mit der Begründung, er habe sich in einer Essaysammlung „Die 68er“ allzu abfällig über die Linke geäußert und dazu noch in der rechten Zeitschrift Junge Freiheit einen Text über die taz geschrieben.

Ich sprach mit dem Dichter darüber nach seinem Auftritt im „Goldenen Hahn“, bei dem es hauptsächlich um Kreuzberger und Kieler Punks sowie Hausbesetzer ging – gereimt und ungereimt. Hübsch und sein Gitarrist meinten: Sie würden das gegenüber dem taz-Café schriftlich richtigstellen – und dann stünde ihrem Auftritt dort hoffentlich nichts mehr entgegen.

Ich bestellte mir daraufhin das Buch mit seinem Text über die „68er-Bewegung“ im Antiquariat. Schon wenig später kam eine Mail der Buchhandlung zurück – mit einer „Bitte zur Kenntnisnahme: Dieses Buch behandelt die 68er-Bewegung in Österreich.“ Nun wusste ich nicht, ob ich die Bestellung bestätigen sollte – hatte Hübsch sich vielleicht über die dortige Bewegung ausgelassen? Möglich wäre es. Oder „slamte“ er vor diesem und jenem Publikum mal so und mal so? Im „Goldenen Hahn“ war er der alte Kämpfer und Spätpunk, während er in der Rechtspostille als gläubiger Islamist auftrat.

In einem Endlosroman des Rotbuch Verlags mit dem Titel „Vogelsberg“, in dem schon von Klaus – dem nunmehrigen Wirt des „Goldenen Hahns“ – die Rede war, hatte ich mich 1986 bereits kurz über den Islamopunker Hadayatullah Hübsch ausgelassen. Damals im Zusammenhang seiner Fehde mit dem Hippiebuddhisten Rainer „Lotosblume“ Langhans. Islam und Punk erschienen mir da noch eine organische Einheit zu sein. Und so verwunderte es mich zehn Jahre später nicht, dass Hübsch seine Texte im Peter Engstler Verlag veröffentlichte – wie ich auch.

Das nordbayrische „scene-info“ bezeichnet Engstler im Internet als „Untergrund-Aktivist der Rhön“, zu seinen Hauptautoren zählen die Punkartisten Bernd Papenfuß und Jörg Burghard. Der Autor Hübsch wird darüber hinaus auf der Internetseite der Ahmadiyya-Gemeinde als ihr „Pressesprecher“ bezeichnet. Hier ist ferner zu erfahren, dass der Name Hadayatullah des 1946 in Chemnitz geborenen Autors „Der von Gott geleitete“ bedeutet. Und dass er neben einem Diplomaten zu den „bekanntesten deutschen Konvertiten“ gehört: „He was a Top-Hippie, now he is a Top-Ahmadi.“ Hippie – und dann noch Top: Das war mir neu.