Maurisches „Beispiel für die Welt“

Ein seltenes Ereignis für Nordafrika: Mauretanien wählt trotz Militärherrschaft und Ölboom einen neuen Präsidenten ohne Spannungen oder vorher festgelegtes Ergebnis

BERLIN taz ■ Nach dem ersten Durchgang der ersten freien Präsidentschaftswahl in Mauretanien war das internationale Lob für den korrekt abgelaufenen Urnengang groß. Das US-Außenministerium sprach sogar von einem „Beispiel für die ganze Welt“.

Der Wahlgang am Sonntag war der erste in der Geschichte des Maghrebstaates, bei dem der Sieger nicht feststand. Der Chef der seit einem Putsch 2005 regierenden Militärjunta, Ely Ould Mohammed Vall, kandidierte nicht. Unter dem 2005 gestürzten Präsidenten Mohammed Ould Taya hieß der Wahlsieger immer Taya, und wer das anzweifelte, landete im Gefängnis.

Der historische Oppositionsführer Ahmed Ould Daddah, der nach Wahlniederlagen gegen Taya 1992 und 2003 bereits im Gefängnis gelandet war, hat nun gute Chancen bei der Stichwahl am 25. März. Er kam auf 20,7 Prozent, knapp hinter Sidi Ould Cheikh Abdellahi mit 24,8 Prozent. Daddah, Bruder des ersten Staatschefs von Mauretanien nach der Unabhängigkeit 1960, sucht nun eine breite Koalition um seine Partei RFD (Sammlung der Demokratischen Kräfte). Cheikh Abdellahi, vom Bündnis „Mithaq“ (Charta), von Alliierten des gestürzten Taya unterstützt, hofft auf diskrete Unterstützung aus dem Staatsapparat um Vall.

Es gab viele Gründe, warum diese Wahl hätte schiefgehen können. Scheidende Militärherrscher versuchen meist, ihre Nachfolge sicherzustellen, notfalls per Wahlmanipulation. Seit dem Militärputsch ist Mauretanien Ölförderland geworden – in vielen Ländern verschärft so etwas politische Konflikte. Aber in Mauretanien ist alles ruhig geblieben. Der Wahlkampf, so wird berichtet, war langweilig, die Wahlprogramme fast identisch – immer ging es um eine gerechtere Wirtschaftsentwicklung.

Wahrscheinlich ist das normal, wenn alle Spitzenkandidaten Ökonomen sind. Mauretaniens Bruttosozialprodukt wuchs 2006 um 13,7 Prozent, weil seit Juni aus dem Offshore-Ölfeld Chinguetti im Atlantik Erdöl sprudelt. Der mit Ölgeldern gefüllte Entwicklungsfonds der Regierung hat 180 Millionen Dollar erhalten – viel für ein armes Land mit 3,3 Millionen Einwohnern. Die Ölförderung sinkt jedoch bereits, und die Öleinnahmen Mauretaniens sollen von 230 Millionen Dollar 2006 auf 82 Millionen dieses Jahr schrumpfen, trotz neuer Ölprospektion. So hat vom Boom hauptsächlich die Junta profitiert.

Wenn der Ölboom sich verflüchtigt, könnten die alten politischen Spannungen Mauretaniens wieder an die Oberfläche kommen. Historisch ist das Land zwischen einer traditionell dominanten maurisch-arabischen Bevölkerung in der Sahara und und einer ärmeren schwarzafrikanischen Bevölkerung im Senegal-Flusstal gespalten. Noch immer werden in Mauretanien Schwarze als Sklaven gehalten, und es gab bewaffnete Rebellionen. Der prominenteste schwarze Kandidat diesmal, Ibrahima Sarr, landete bei 7,9 Prozent. In den letzten Jahren der Taya-Herrschaft gab es mehrere von radikalen Islamisten unterstützte Umsturzversuche. Der den Islamisten am nächsten stehende Kandidat Saleh Ould Henennah bekam jetzt aber nur 7,7 Prozent.

Die Militärs gingen davon aus, dass das Land nur dann friedlich bleibt, wenn demokratische Spielregeln gelten. Wenn die geringen Stimmanteile möglicher Protestkandidaten ein Indiz für die Zufriedenheit der Mauretanier sind, könnten sie recht behalten. DOMINIC JOHNSON