leserinnenbriefe
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PatientInnen bestimmen selbst

■ betr.: „Sarkozy startet neue Antiislamkampagne“, taz vom 7. 4. 11

Frankreich verteidigt seine laizistische Tradition, und Sarkozy erhebt sich zum staatlichen (Un-)Glaubenswächter.

Die Diskussion um (Nonnen-?)Schleier und Kopftücher wird ja hierzulande ebenfalls seit Jahren geführt, um die grassierende Xenophobie mit dem Mäntelchen der Aufklärung zu verschleiern. Nun aber soll es PatientInnen „nicht mehr erlaubt sein, beim Pflegepersonal geschlechtsspezifische Forderungen zu stellen“. Sollte sich dieser Vorschlag durchsetzen, wäre das ein Schlag ins Gesicht all jener professionell Pflegenden, die sich seit Jahren genau dafür einsetzen. PatientInnen steht es immer zu, geschlechtsspezifisch gepflegt zu werden. Das Unbehagen, als Frau oder Mann von einer Pflegeperson des anderen Geschlechts gewaschen oder im Intimbereich gepflegt zu werden, ist ein ausreichender Grund, genau dies abzulehnen. Umso wichtiger wird dieses Recht, wenn Menschen – zumal Kinder oder Demente – sexuelle Gewalt erfahren haben.

Ob religiös begründet oder anders: Das Recht von PatientInnen auf Selbstbestimmung muss schwerer wiegen als die Lust auf den Binnenkreuzzug von Sarkozy & Co. ANJA PETERS, Neubrandenburg

Klüngel der Mächtigen

■ betr.: „Vorsicht, Radikaler“ u. a., taz vom 6. 4. 11

Wie weit ist es eigentlich mit der innerparteilichen Demokratie in unserem Land gekommen, wenn nicht einmal mehr die taz es für erwähnenswert erachtet, dass über das wichtigste Amt einer Partei in dunklen Hinterzimmern entschieden wird?

Wie auch in der SPD seit Jahren üblich, klüngeln die Mächtigen die neuen Führungskräfte unter sich aus, das Fußvolk darf ja dann bei mediengerecht inszenierten Parteitagen für eine prozentual möglichst hohe Zustimmung sorgen. ALBERT SCHINDLBECK, Freising

Witze mit rassistischer Struktur

■ betr.: „Verboten“, taz vom 6. 4. 11

„Verboten“ ist gut, wichtig und hat meistens recht. Witze mit rassistischer Struktur gehören hier jedoch ebenso wenig hin wie anderswo. EVELYN KLEINERT, SONJA KÜHNLE, Leipzig

Alte homophobe Vorurteile

■ betr.: „Der Außenseiter“, Gesellschaft + Kultur vom 5. 4. 11

Schwule sind Zicken und Memmen, sprechen nasal und sind auch ansonsten keine richtigen Männer. So sah man das in den sechziger Jahren, und so sieht man es hier und da noch immer. Das linksorientierte Bildungsbürgertum weiß es heute freilich besser: Tatsächlich besitzen Schwule besonderes Einfühlungsvermögen, akzentuieren die Vokale ganz hinreißend und sind auch ansonsten sehr sympathisch.

Was tolerant scheint, ist in Wirklichkeit die politisch korrekte Umformulierung der alten homophoben Vorurteile: Sie klingen jetzt sehr nett, doch sie bleiben Vorurteile. Und nun kommt Westerwelle, bellt seine Tiraden durch die Republik, giftet gegen „spätrömische Dekadenz“ und ist auch ansonsten ein richtiger Haudrauf. Hat er als Schwuler nicht eigentlich Sanftmut zu verkörpern?

Was Grüne und Linke so ärgert, ist, dass er ihre Klischees so gründlich durcheinanderbringt. Womöglich hilft Westerwelle dem Image der Homosexualität damit mehr, als er beabsichtigt. Nicht, weil er es verbessern würde – sondern weil er zeigt, dass es Unsinn ist.

KARL KELSCHEBACH, Oldenburg

Grundordnung à la Kohl

■ betr.: „Kohl erhält Kissinger-Preis“, taz vom 5. 4. 11

Boah, wie das klingt: Schaffung einer demokratischen Grundordnung im neuen Jahrtausend.

Und die soll dann auch noch ausgerechnet Helmut Kohl geschaffen haben. Und dafür will ihn nun die American Academy in Berlin mit ihrem Henry-Kissinger-Preis ehren, den auch schon der ehrenwerte George W. Bush erhalten hat. Damit ist eigentlich schon alles gesagt, denn Gründer der Academy waren neben anderen solch illustre Personen wie Otto Graf Lambsdorff und eben auch Henry Kissinger selbst, der seinen Beitrag zur Schaffung einer demokratischen Grundordnung à la Pinochet in Chile geleistet haben soll. Aber das war ja im alten Jahrtausend.

DIETER HORSTMANN, Olfen