Und täglich grüßt der Übervater

Zwischen Mao-Konterfei, altmodischer Landschaft und von Pop-Art beeinflussten Bildern ist alles drin: Eigentlich ist Ingo Lüthjens Kaufmann. Mit „ArtChina“ hat er die erste Galerie für zeitgenössische chinesische Kunst in Hamburg eröffnet

Ob die Ausstellung „Mahjong“ in der Hamburger Kunsthalle der Auslöser war? Offiziell zugeben würde Ingo Lüthjens das nicht. Im Januar hat er „ArtChina“ eröffnet, die erste Hamburger Galerie für chinesische zeitgenössische Kunst. „Vor einem Jahr bin ich in einer Ausstellung auf chinesische Gegenwartskunst gestoßen“, erzählt Lüthjens. „Danach habe ich bald Shan Fan, einen seit 20 Jahren in Hamburg lebenden chinesischen Künstler, kennen gelernt, der mir Hilfe anbot. Und so kam eins zum anderen.“

Will heißen: Der Hamburger Kaufmann Lüthjens wollte nach etlichen Geschäftsreisen erstmals in Sachen Kunst nach Peking und Shanghai fahren; sein Unternehmen hatte er da bereits verkauft. Rechnen kann er natürlich immer noch, und ihm war nicht entgangen, dass die Preise für chinesische Kunst explodieren und sich damit wohl ein Geschäft machen ließe. Aber darüber spricht er nicht so gern. Natürlich arbeite er in China nur mit Galerien zusammen, die ihm günstige Konditionen einräumten. Welche das sind, sagt er im Einzelnen nicht. „Die Preise müssen fair sein“, sagt er nur. „Und es muss schon erlaubt sein, dass eine Galerie hin und wieder ein Bild verkauft.“

Ist es auch, zweifellos. Nur stellt sich die Frage, ob die Präsentation chinesischer Kunst nicht allzu oft postkoloniale Klischees bedient. Ob es ein Zufall ist, dass Lüthjens heute eröffnende zweite Schau Landschaftsbilder zeigt, die direkt den alten Meistern abgeschaut sein könnten. „Ich bediene kein Klischee und würde das, was ich zeige, auch nicht als folkloristisch bezeichnen“, beteuert Lüthjens. Er wolle vielmehr ein Idyll vorführen, dessen Verlust die Künstler beklagten. „Mich selbst haben diese Bilder sehr überrascht. Denn mit dem heutigen China verbindet man doch eher Industrialisierung und Umweltzerstörung.“ Es ist in der Tat erstaunlich, wie wenig Künstler wie Han Lei von der Tradition abgerückt sind. Doch der fehlende kritische Blick auf die eigenen künstlerischen Traditionen war ja auch schon Thema der „Mahjong“-Schau gewesen. „Etliche Künstler stellen einen Zustand eher dar, als dass sie ihn reflektieren“, hatte Sammler Uli Sigg damals zu Protokoll gegeben.

Ob ausgerechnet Galeristen es besser machen müssen? Wer weiß. Aber warum widersteht Lüthjens nicht der Versuchung, Werke mit Mao-Konterfei zu zeigen? „Ich verniedliche und enthistorisiere gar nichts“, beteuert Lüthjens. „Ich will mit solchen Werken nur zeigen, dass Mao im heutigen China noch allgegenwärtig ist. Auch die jungen Künstler sind mit ihm aufgewachsen.“ Eine kritische Betrachtung gewährleistet das aber noch nicht, und so betont Lüthjens, dass er den älteren, unter Mao aufgewachsenen Künstlern die ernsthafte Auseinandersetzung glaubt. Beim 1969 geborenen Huang Qing allerdings, „da frage ich mich schon“ sagt er, „warum ein in der Landschaftsmalerei so versierter Künstler auch dieses geschäftsträchtige Thema malen musste“. Warum er als Galerist das dann auch noch zeigen musste, erklärt er nicht.

Dass er ausdrücklich regierungskritische Kunst zeigt, behauptet der Galerist andererseits überhaupt nicht. „Man balanciert immer zwischen inhaltlicher Auseinandersetzung und dem visuellen Geschmack der Käufer“, sagt Lüthjens. „Erschöpfte sich mein Konzept aber hierin, hätte ich auch in der zweiten Ausstellung jene von der Pop-Art beeinflussten Künstler gezeigt, mit denen ich meine Galerie eröffnet habe. Aber ich wollte durch die Landschaften der zweiten Schau bewusst eine zweite Facette zeigen.“ PS

Galerie ArtChina, Mühlenkamp 31, Hamburg; www.artchina-gallery.de