schaut sich in den Galerien von Berlin um

NOEMI MOLITOR

So viel Kunst ist Schrott. Vor allem wenn sie faul ist. Oder noch schlimmer: gefällig, um markttauglich zu sein. Anstatt meine Zeit zu verschwenden, mich darüber aufzuregen, hab ich mir lieber gleich Kunst aus Müll angeschaut: in der Gruppenausstellung Trash Art de luxe und die Kraft der freien Szene in der Galerie Neurotitan. Wie der Titel schon sagt, bestehen viele der Arbeiten aus Schrott und akribisch gesammelten Müllteilchen. Das Genre „Objet trouvé“ (gefundener Gegenstand) betont den Prozess der Materialbeschaffung: Die Kunst liegt auf der Straße, man muss sie nur durch den Dreck hindurch erkennen. In „Zwei im Keller“, einem ausgeleuchteten Schaukasten aus einer alten Keksdose von Tine Kindermann, sitzen zwei Figürchen zwischen verrosteten Metallstücken und Erdklumpen herum, der Blick wird sofort in die Szene eingesogen. Nele Stroebel abstrahiert die Zufällig-gefunden-Prämisse noch weiter, indem sie Fotos von Sperrmüllhaufen mit Umrisslinien kartografiert und als Muster auf Holzskulpturen überträgt. Die funktionieren dann auch ohne Kenntnis der Entstehungsgeschichte. Für viele ist Kunst aus Abfallprodukten aber auch einfach eine Frage von günstigem Arbeitsmaterial. Stephanie Krumbholz dient ein aufgefalteter Umzugskarton als Malfläche, sie reißt streifenweise Stücke aus der Pappe, pflastert sie wieder mit Klebeband zusammen und schafft so ihre eigene grau-schwarze Bildsprache. Auch Müll-Kunst folgt natürlich ihren eigenen Konventionen. Meine Begleitung hat das gleich auf den Punkt gebracht: Kunst aus Müll darf nicht sauber sein. Sonst verliert sie ihren Rocker-Status. Nobler Herstellungsweg hin oder her (sollte man sich in Recycling-Analogien ergehen wollen), auch Trash Art lässt sich schweineteuer verkaufen. Vielleicht ja, weil sie sich das Label leisten kann (bis 30. 8., Mo.–Sa. 12–20; Finissage: 29. 8, 17 Uhr, Rosenthaler Str. 39).

 Wen mit Kram vollgestopfte Räume nervös machen, bekommt in der Galerie Diehl Cube ein Kontrastprogramm. Für „Fuga“ hat Carla Guagliardi die Ausstellungswände mit roten Schnüren verspannt. Ihre minimale Art des Zeigens reicht, um den Raum neu zu erleben. Ein scheinbar endlos langes Gummiseil zieht sich kreuz und quer durch den 7x7x7-Meter-Quader, verschwindet über Kupferrohren hinter den Wänden, scheint sie von allen Seiten zu halten. Auch in „Partitura“, Holzplättchen, die auf weißen Schaumbällchen balancieren, sind alle Teile voneinander abhängig: Löst sich eines, fällt alles auseinander. Guagliardis Schlichtheit ist das Gegenteil von faul (bis 30. 8., Do.–Fr. 11–18, Sa. 11–14 Uhr; Gespräch mit der Künstlerin: 29. 8, 16–18 Uhr, Emser Str. 43).