THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

In den letzten Jahren hat der Tanz in der kulturellen Bildung einen enormen Boom erlebt. Besonders in Schulen und Theaterjugendclubs: Tanz kennt keine Sprach- oder Kulturbarrieren, funktioniert unabhängig von einem festgefügten Bildungskanon, bietet als körperliche Ausdrucksform auch extremen Gefühlen einen Rahmen und verfügt so über ein großes Integrationspotenzial. Darüber hinaus vermittelt der Tanz physische Erfahrungen und bildet ein immer wichtiger werdendes Gegengewicht zu den virtuellen Welten, aus denen sich unsere Erfahrungen zunehmend speisen.

Diese Entwicklung haben auch die Berliner Festwochen aufgegriffen und ihren diversen Nachwuchs-Festivals wie dem Theatertreffen der Jugend nun ein „Tanztreffen der Jugend“ hinzugefügt. In diesem Jahr findet es zum ersten Mal im Haus der Berliner Festspiele statt. An sechs Tagen werden 7 von einer Jury aus 58 Bewerbungen ausgewählte Produktionen zu sehen sein, darunter eine Choreografie über das Gefangensein in Zwängen und Gewohnheiten „Cage“ von iMove, der Jugendtanzgruppe des Balletts des Saarländischen Staatstheaters oder das Tanzstück „COMIX“ der Stralsunder Jona-Schule, das vom Leben auf einer Müllhalde in unserer Wegwerfgesellschaft handelt. (Haus der Berliner Festspiele: „Tanztreffen der Jugend“, 27. 8.–1. 9. 2014. Alle Infos: www.berlinerfestspiele.de).

In der Schaubühne am Lehniner Platz beginnt in dieser Woche die neue Spielzeit. Und zwar mit dem Stück „Forbidden Zone“ der britischen Multimedia-Künstlerin Katie Mitchell, eines der viele Theaterprojekte zum 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs: Es geht um drei Frauen und den Krieg. Unter ihnen ist die Chemikerin Klara Immerwahr, Ehefrau des Chemikers Fritz Haber, die sich am 2. Mai 1915 aus Protest über die Dienstbarmachung der Forschung ihres Mannes für Kriegszwecke im Garten ihrer Dienstvilla in Berlin-Dahlem erschoss: Mit Habers Dienstwaffe, der für seine Entwicklung der ersten Massenvernichtungswaffen zum Hauptmann der Reserve befördert worden war. 1931 erhielt er den Nobelpreis für Chemie. Clara Immerwahrs plakativer Selbstmord fand (damals allerdings kaum beachtet) am Morgen nach der Feier des deutschen Sieges an der Westfront in der Schlacht bei Ypern in Flandern statt, der durch den massenhaften Einsatz von Giftgas möglich wurde. (Schaubühne: „The Forbidden Zone“, Premiere 28. 8., 20 Uhr).

Auch im Gorki-Theater geht die neue Spielzeit mit einer tragischen Frauengeschichte los: mit Yael Ronens Adaption des Romans „Der Russe ist einer, der Birken liebt“. (Gorki-Theater, 29. 8.,19.30 Uhr.)