Der Bildungsboxer

Der Profiboxer Luan Krasniqi ist Zugpferd der Lernenden Metropolregion Hamburg. „Wir haben hier in Deutschland die Chance auf Bildung und diese sollte man lebenslang nutzen“, sagt er. Morgen tritt Krasniqi gegen Axel Schulz-Bezwinger Brian Minto in den Ring

Das Box-Jahr 2007 steht ganz im Zeichen der schweren Jungs. Der Hamburger Universum-Stall hat allein drei hoffnungsvolle Schwergewichtler in seinen Reihen. Neben Ruslan Chagaev und Alexander Dimitrenko möchte es auch Luan Krasniqi nach einem „Jahr zum Abhaken“ noch einmal wissen. Morgen Abend tritt er in Stuttgart gegen den Schulz-Bezwinger Brian Minto (USA) an. Zuletzt sorgte er hauptsächlich außerhalb des Ringes für Aufmerksamkeit – als Vorbild für Integration und Bildungschancen.

„Ich bin 100 Prozent fit und das Kribbeln ist da“, sagt er ein paar Tage vor dem Kampf. „Durch meine Sparringspartner habe ich auch mein Distanzgefühl wieder.“ Eine monatelange Vorbereitung liegt hinter ihm. Bei dem Trainingsfleiß war es schwierig, ihn ans Telefon zu bekommen. Schaffte man’s doch, klang es im Hintergrund stets so, als würde der Europameister mit der freien Hand weiter den Sandsack bearbeiten. „Schicken Sie mir die Fragen doch bitte per E-Mail.“ Ein schriftliches Interview mit einem Boxer? Noch vor einigen Jahren wären jetzt die Vorurteile über Faustkämpfer, denen aufgrund Ihrer Bildungsferne nichts anderes übrigbleibt, als sich den Weg aus dem Staub der Straße nach oben zu prügeln, durchs Hirn gerattert.

Trotz der Doktoren Klitschko sind Boxer mit Abitur und gutem Deutsch für die Öffentlichkeit auch heute noch eine kleine Sensation mit Aha-Effekt. So lächelt Luan Krasniqi seit einiger Zeit als Zugpferd der „Lernenden Metropolregion Hamburg“ von den Plakatwänden der Hansestadt. Bundespräsident Köhler verpasste ihm in einer Rede im Berliner Problemviertel Neukölln gar ein Attribut, hinter dem sein offizieller Kampfname „Der Löwe“ fast verblasst: „Wenn ein erfolgreicher Sportler wie Luan Krasniqi als Bildungsboxer dazu aufruft, beim Lernen niemals stehenzubleiben, dann lässt sich die Begeisterung der Kinder und Jugendlichen mit Händen greifen.“

Der ausgebildete Großhandelskaufmann stellt sich gern in den Dienst dieser Kampagne. „Lernen und Bildung sind ein hohes Gut. Wir haben hier in Deutschland die Chance auf Bildung und diese sollte man lebenslang nutzen. Ich selbst bin immer neugierig, Neues zu lernen und zu entdecken.“ Bei Luan Krasniqi, der mit 16 Jahren aus dem Kosovo nach Rottweil in Baden- Württemberg zu seinen Eltern zog, klingen auch solch artige Bekenntnisse authentisch. Kein Wort Deutsch sprach er bei seiner Ankunft 1987 – heute kann er sich in sechs Sprachen unterhalten, unterstützt mehrere soziale Projekte und arbeitet nebenbei als Gerichtsdolmetscher. „Das bereichert mein Leben.“

Gerne hätte er wie seine drei Brüder studiert, am liebsten Jura. Das ließ sich trotz Bildungseifer zwar nicht mit der Boxkarriere verbinden. Doch ganz geht der Bronzemedaillengewinner von Atlanta 1996, der seine Gesprächspartner am Rande des Rings mit feinem Lächeln und offenen Ohren für sich gewinnt, immer noch nicht in der Boxwelt auf. Seine Entscheidungen zeugen meist von einem eigenen Kopf. So zog er sich den Zorn der Öffentlichkeit zu, als er gegen den Polen Przemyslav Saleta 2002 seinen EM-Titel verlor, weil er in Führung liegend, aber schwer angeschlagen, in der Ecke sitzenblieb und „Schluss“ sagte, um seine Gesundheit zu schützen. Und wenn ihm ein Vertragsdetail nicht passt, lässt er auch schon mal einen Kampf platzen, wie im Herbst letzten Jahres.

Was ihn aber in Rage bringen kann, sind ständige Fragen nach seiner Herkunft. „Was erledigt sich dadurch, dass ich Ihnen diese Frage beantworte“, beschied er einmal einem Interviewer. Eigenwillig finden einige auch, dass der bekennende Schwabe in der Provinz bleibt und nicht im Universum-Gym in Hamburg trainiert, wie seine Schwergewichts-Kollegen Chagaev und Dimitrenko. Dabei ist die Antwort doch so einfach. „Das ist meine Heimat. Dort wohnen wertvolle Menschen, die ich über alles liebe – meine Freunde, meine Familie.“

Sein morgiger Gegner, Brian Minto, spricht voller Respekt von ihm: „Das ist natürlich ein ganz anderes Level als Axel Schultz. Krasniqi ist ein richtig guter Fighter.“

In einem weiteren Schwergewichtskampf tritt der in Hamburg lebende Alexander Dimitrenko gegen „Danny Boy“ Batchelder (USA) an.RALF LORENZEN