„Wir können keine Einstellungen ändern“

Die Zukunft liege im EU-weiten Ansatz, so das Fazit der Xenos-Fachtagung zur Stärkung interkultureller Kompetenzen in Lübeck. Kritiker werfen dem Programm Konzeptlosigkeit vor. Ein Gespräch mit dem Koordinator Michael Heister

MICHAEL HEISTER, 45, ist seit 2003 Referatsleiter des Programms Xenos, das zum bundesweiten Aktionsprogramm „Jugend für Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ gehört.

taz: Herr Heister, Ausbildung, Betrieb und Verwaltung – das seien die Bereiche besonders erfolgreicher Projektarbeit, so heißt es im Abschlussbericht der Fachtagung zur Stärkung interkultureller Kompetenzen. Lässt sich das belegen?

Michael Heister: Ich habe selber bei der Tagung ein Forum zur öffentlichen Verwaltung gemacht. Das Interessante dort ist, dass die Förderung zu Ende geht, die Projekte aber in den Städten weiterlaufen. Daher sind das, was immer wieder diskutiert wird, nämlich nachhaltig.

Lässt sich das konkret, zum Beispiel an einer größeren Zahl von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund, festmachen?

Wir hatten hier in Lübeck eine Teilnehmerin aus Osnabrück, die von einem Mentorenprogramm kam, bei dem Deutsche die länger in der Verwaltung waren, mit den Migranten zusammenarbeiteten. Sie sagte: „Ich habe plötzlich gemerkt, dass da noch andere Migranten in der Verwaltung sind. Und wir können uns über die zwei Kulturen, in denen wir leben, austauschen. Vorher war mir das im Grunde nicht klar“. Wir erheben keine Zahlen, wer eingestellt wurde – das ist auch nicht der Sinn des Projekts.

An dieser mangelnden Überprüfbarkeit setzt immer wieder die Kritik an Xenos an – verbunden mit der These, dass dies im Sinne des Ministeriums sei, um das konzeptlose Gießkannenprinzip zu verschleiern.

Wir sind von dem Unternehmen Ramboll evaluiert worden. Das Ergebnis ist, und das finde ich hochinteressant, dass man ein solches Projekt nicht überfrachten darf. Ramboll hat sehr eindeutig gesagt, dass ein solches Projekt keine Einstellungen ändern kann. Wir können aber für mehr Verständnis zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen werben und interkulturelles Training machen. Und das ist die Stärke unseres Programms, das sich an junge Leute an der Schwelle zum Beruf richtet, die oft Schwierigkeiten mit dem Einstieg haben und daher vielleicht anfälliger sind für Rechtsextremismus.

Muss man nicht an die Einstellungen herankommen, um das Verhalten zu ändern?

Die Frage ist, ob Menschen, die in Gefahr sind, rechtsradikal werden, eine ganz fundierte, rechtsradikale Einstellung finden. Das würde ich bestreiten. Natürlich gibt es auch solche. Aber bei den Dresscodes zum Beispiel ist es einfach schick, dazuzugehören.

Warum sind nur so wenige Unternehmen bereit, an Ihren Projekten teilzunehmen?

Es gibt im Grunde zwei Variablen von Betrieben: In den großen wird sowieso etwas gemacht, es gibt dort zum Teil ganze Abteilungen, die sich damit beschäftigen. Bei den kleinen Unternehmen muss man dagegen die Leute ansprechen und mobilisieren und das ist oft nicht einfach.

Xenos gibt es seit 2002 und steht stark in der Kritik: Da wurde allein aus dem europäischen Sozialfonds 72 Millionen Euro ausgegeben und zeitglich steigt die Zahl rechtsextremer Gewalttaten und die NPD zieht in mehrere Landtage ein.

Ich finde, dass man uns diesen Vorwurf nicht machen kann. Die spannende Frage ist: Wenn wir nichts gemacht hätten, wäre die Tendenz nicht viel größer? Sollen wir sagen: Wenn wir effizient sind, gibt es soundsoviel weniger Rechtsextreme? Auch andere europäische Länder sagen, dass man so nicht argumentieren kann.

Künftig wollen Sie stärker im europäischen Rahmen arbeiten. Was erreicht man damit?

Wir haben ein sehr erfolgreiches Projekt in Berlin, wo türkischstämmige Jugendliche einen Teil ihrer Ausbildung in Ismir absolviert haben. Oder Jugendliche, die gemeinsam mit ungarischen Jugendlichen jüdische Friedhöfe renoviert haben. Das trägt viel zu Verständigung bei.INTERVIEW: GRÄ