Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Der Dokumentarfilmer Volker Koepp fuhr 1974 erstmals in die brandenburgische Provinz nach Wittstock, um dann bis einschließlich 1981 die Textilarbeiterinnen Edith, Elsbeth und Renate des VEB Obertrikotagen „Ernst Lück“ in verschiedenen Kurzfilmen zu porträtieren. Dabei sagte Elsbeth dann unter anderem, dass nach dem Happy End eigentlich immer noch weiter gefilmt werden müsse, damit man alles über die Familie, die Arbeit und das weitere Leben erfahre.

Koepp nahm sie beim Wort und kehrte im Lauf der Jahre immer wieder nach Wittstock zurück (zuletzt 1996), um von beruflichem Auf- und Abstieg, von privaten Hoffnungen und Rückschlägen zu erzählen. „Leben in Wittstock“ (1984) ist eine Zwischenbilanz, welche die frühen Kurzfilme zusammenfasst und ergänzt, und wird getragen von der Lebendigkeit der Protagonistinnen sowie der spürbaren Freundschaft, die sich zwischen ihnen und dem Filmteam entwickelt hat. Das Arsenal-Kino zeigt den Film aus Anlass der Geburtstage von Volker Koepp und seines Kameramannes Christian Lehmann, die kürzlich 70 beziehungsweise 80 Jahre alt wurden und die Vorstellung mit ihrer Anwesenheit beehren werden. (1. 9., Arsenal 1)

Ungewöhnliche Horrorfilme, Teil 1: Obwohl Carl Theodor Dreyers „Vampyr“ (1932) ganz ohne vordergründige Schockeffekte auskommt, greift der irreale Albtraum, den ein junger Mann auf seiner somnambulen Suche nach einem Vampir in einem abgelegenen Gasthof erlebt, das Nervenkostüm des Betrachters mit der Zeit erheblich an. Eine enorm bewegliche Kamera (Rudolph Maté) folgt dem Helden durch weiße Korridore, Zimmer und Scheunen, wobei das Spiel von Licht und Schatten viel Raum für die Fantasien und Ängste des Betrachters lässt. Die kommen insbesondere zum Tragen, als der junge Mann schließlich von seinem eigenen Tod träumt und die Kamera den Blickwinkel des im Sarg liegenden Toten übernimmt. (28. 8., Freilichtbühne Weißensee)

Ungewöhnliche Horrorfilme, Teil 2: Auch Nicolas Roeg setzt in „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ (1973) mehr auf unheimliche Atmosphäre denn auf blutigen Schrecken und erzählt die Geschichte eines britischen Ehepaares, das bei einer Venedigreise über den Tod seiner bei einem Unfall ertrunkenen Tochter hinwegzukommen versucht. Doch die beiden finden keinen Seelenfrieden, als eine unheimliche Mordserie Venedig verunsichert und ihnen ein blindes Medium Hoffnung macht, die Tochter könne noch leben. Von Julie Christie als hoffende Mutter und Donald Sutherland als zweifelnder Vater brillant gespielt, erweist sich der Film zusehends als eine schleichend-unheimliche Studie seelischer Zerrüttung. (31. 8., Casablanca)