„Die Menschen sollten mitentscheiden, wer regiert“

GRÜNE Die Chefin der größten Oppositionspartei, Bettina Jarasch, fordert Neuwahlen

■ 45, führt seit 2011 als Landesvorsitzende mit Daniel Wesener die Berliner Grünen. Seit 2013 gehört sie zudem dem sechsköpfigen Bundesvorstand ihrer Partei an. Sie gilt als Vertreterin eines realpolitischen Kurses.

taz: Frau Jarasch, warum wollen Sie Neuwahlen?Es ist ja nicht die Koalition geplatzt, und die SPD will fristgerecht Ersatz für Klaus Wowereit besorgen.

Bettina Jarasch: Wir glauben, dass es das Beste für die Stadt ist – angesichts der Regierungskrise und des Dauerchaos, das sich abzeichnet, und angesichts des Zustands, in dem die Stadt schon länger ist mit den ganzen unvollendeten Infrakstruktur- und Großprojekten. Und vor allem finden wir, dass die Menschen in dieser Stadt mitentscheiden sollten, wer sie regiert.

Das Wahlrecht sieht doch gar keine Direktwahl des Regierenden Bürgermeisters vor. Zur stärksten Kraft haben die Berliner bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 mit über 28 Prozent die SPD gewählt, nicht Wowereit – der hat ja nicht mal einen Wahlkreis gewonnen.

Geworben hat die SPD aber massiv mit ihrem Regierenden. Es gab ja sogar den Wahlkampfspruch: „Wer Wowereit will, muss SPD wählen.“ Da muss die SPD es sich jetzt auch gefallen lassen, dass wir das umdrehen und Neuwahlen fordern, wenn ihr diese zentrale Figur abhandenkommt. Formal haben Sie natürlich recht – aber das ist doch alles andere als eine formale Staffelstabübergabe, bei der ansonsten alles rundläuft.

Warum denn nicht? Es sind doch nun drei Monate Zeit, die Nachfolge zu regeln.

Drei Monate, in denen alle Senatoren nur noch auf Abruf sind, weil ein neuer Regierender auch einen neuen Senat ernennt. Bezeichnend ist für mich auch, dass die Ankündigung nicht rechtzeitig vorher abgesprochen war – weder mit der eigenen Partei noch mit dem Koalitionspartner. Da bin ich schon gespannt, wie lange sich die CDU das anschaut.

Die Vermutung drängt sich auf, dass die Grünen nun auch deshalb Neuwahlen fordern, weil sie in Umfragen so gut dastehen wie lange nicht mehr, gleichauf mit der SPD. Die Piraten, die laut Umfragen derzeit aus dem Parlament fallen würden, wollen nachvollziehbarerweise keine Neuwahl.

Wir haben schon lange gelernt, dass Umfragewerte sehr flüchtig sind, und wir stimmen bestimmt nicht darauf unser politisches Handeln ab. Im Gegenteil: Ich hätte gern noch ein bisschen mehr Zeit, um Neuwahlen in Ruhe vorzubereiten. Aber für uns ist das der sauberere Weg.

Sie könnten dem Wowereit-Nachfolger ja auch anbieten, die CDU in der Koalition abzulösen – sowohl Saleh als auch Stöß waren 2011 gegen Rot-Schwarz und für Rot-Grün.

Damit würde ich ja dem widersprechen, was ich gerade selbst gesagt habe. Die Bürgerinnen und Bürger sollen über das Personal und die Koalition entscheiden können.

Und wenn die SPD von sich aus Rot-Grün anbietet? Würden Sie das definitiv ablehnen?

Darüber würden wir in unseren Gremien zu reden haben. Aber bei uns wird die Forderung nach Neuwahlen sehr breit getragen.

Wer wäre denn da der Lieblingspartner?

Ich glaube nicht, dass Sie jetzt von der Oppositionspartei hören wollen, wie nachher eine Koalition aussieht, wenn es noch nicht mal klar ist, ob es Neuwahlen gibt.

Das würden wir im Gegenteil sehr gern hören. Aber bei Neuwahlen brauchen Sie auch eine Spitzenkandidatur.

Wenn es zu Neuwahlen kommt, werden wir auch Spitzenpersonal haben. Ich werde jetzt aber keinen Wahlkampf vorwegnehmen, der vielleicht gar nicht stattfinden wird.

INTERVIEW: STEFAN ALBERTI