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Archiv-Artikel

DIE STIMMEN DER ANDEREN

Süddeutsche Zeitung (Deutschland)

Jürgen Habermas kritisiert EU

Habermas: „Solange die europäischen Bürger allein ihre nationalen Regierungen als Handelnde auf der europäischen Bühne im Blick haben, nehmen sie die Entscheidungsprozesse als Nullsummenspiele wahr, in denen sich die eigenen Akteure gegen die anderen durchsetzen müssen. … Wahrscheinlich stimmt die Erwartung, dass die europamüden Bevölkerungen unter gegebenen Umständen eine weitere Übertragung von Souveränitätsrechten selbst im Kernbereich der Union ablehnen würden. Aber diese Voraussage ist zu bequem, wenn sich die politischen Eliten damit von ihrer Verantwortung für den erbärmlichen Zustand der Union entlasten. … Der europäische Einigungsprozess, der immer schon über die Köpfe der Bevölkerung hinweg betrieben worden ist, steckt heute in der Sackgasse, weil er nicht weitergehen kann, ohne vom bisher üblichen administrativen Modus auf eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung umgestellt zu werden. Stattdessen stecken die politischen Eliten den Kopf in den Sand. Sie setzen ungerührt ihr Eliteprojekt und die Entmündigung der europäischen Bürger fort.“

Neue Zürcher Zeitung (Schweiz)

Der Preis des Geldes

Auch wenn die reichliche Versorgung mit günstigem Geld leicht dazu verführt, sich daran zu gewöhnen, kann diese kein Dauerzustand sein. Spätestens wenn die nominellen Zinsen niedriger sind als die Inflation, ist der Preis des Geldes aus den Fugen geraten. Kapital ist kein öffentliches Gut und muss seinen Preis haben. Erst Kapitalakkumulation, die ja immer auch Verzicht ist auf gegenwärtigen Konsum, schafft künftigen Wohlstand. Dafür muss entschädigt werden, wer spart. Wenn Notenbanken mit unkonventionellen Maßnahmen Zinskurven niedrig und flach halten, so kann das ein Nothilfe-Instrument sein. Mittelfristig aber schafft dies neue Fehlanreize, die zu Blasenbildungen auf Rohwaren-, Immobilien- und Aktienmärkten und Inflationsschüben führen können.

Aftenposten (Norwegen)

Portugal ist nicht das Problem

Portugal ist nicht das Hauptproblem für die EU. Die große Angst auf den Finanzmärkten und bei den Politikern der Eurozone heißt seit Monaten Ausweitung der Krise nach Spanien und zu zentralen Teilen des europäischen Bankwesens. Deutschland und die anderen nordeuropäischen Euroländer wollen sich aus der Verantwortung für Schulden der Südeuropäer winden. Gleichzeitig aber fürchten dieselben Länder Schuldenverhandlungen, die ihren eigenen Banken die Übernahme schwerer Verluste bringen könnten. Eine dauerhafte Lösung der Krise in der Eurozone ist nicht in Sicht.

La Marseillaise (Frankreich)

Portugals Hilferuf

Nach Griechenland und Irland nun also Portugal. Diese Länder sind Opfer der hohen Zinsen, die die Börsen ihnen in Rechnung stellen. Sie bekamen auch schlechte Noten von Ratingagenturen, die von den Spekulationen des Marktes so unabhängig sind wie der Regen von den Wolken. Und wenn die Länder erst einmal auf diese Weise geschwächt wurden, können sie weder Geld leihen noch ihre Schulden erstatten – es sei denn, sie würden völlig verrückte Zinsen zahlen. Es ist legitim, sich darüber zu entrüsten, dass die EU keinen anderen Ehrgeiz hat, als die Finanzmärkte zu beruhigen, indem sie auf dem Rücken der Menschen leere Kassen wieder auffüllt.

Corriere della Sera (Italien)

Wiederkehrende Turbulenzen

Es wird nicht die portugiesische Krise sein, die über ein Scheitern des Euro entscheidet, so wie es vor einem Jahr auch nicht die griechische Krise war oder im Herbst die irische. Der Euro wird diese wiederkehrenden Turbulenzen aus zwei Gründen überstehen. Vor allem, weil es eine Generation europäischer Politiker gibt, die (wie Angela Merkel, Nicolas Sarkozy und auch Silvio Berlusconi) die eigene Glaubwürdigkeit an den Erfolg der europäischen Währung knüpfen. Der zweite Grund, der den Euro schützen wird, liegt in der Tatsache, dass jetzt tatsächlich nicht diese Schuldenländer in Schwierigkeiten sind, sondern all jene, die sie finanziert haben: vor allem die deutschen Banken.

Quellen: Eurotopics, dpa