Der Berliner Aufsteiger

Ich möchte Regierender Bürgermeister Berlins werden.“ Noch-Amtsinhaber Klaus Wowereit hatte seinen Rücktritt für Dezember kaum angekündigt, da griff Raed Saleh mit diesem Satz nach der Macht. Genau genommen sagte der 37-Jährige, als Kind aus dem Westjordanland nach Berlin gekommen: „Isch möschte …“ Saleh wäre der erste arabischstämmige deutsche Regierungschef und der erste Einwanderer auf diesem Posten in Deutschland. Er wäre in der alten Arbeiterpartei SPD auch der erste Nichtakademiker seit Langem auf einem solchem Posten, den 2013 abgetretenen Pfälzer Kurt Beck einmal ausgenommen.

Es ist eine steile Karriere, die hinter Saleh liegt. Er jobbte parallel zur Schule in einer Fast-Food-Bräterei, arbeitete sich nach dem Abitur zum Filialchef hoch, wurde leitender Mitarbeiter und gründete schließlich 2005 ein noch heute existierendes kleines Medienunternehmen. Noch vor knapp drei Jahren kannten nur Insider den einfachen Abgeordneten im Berliner Landesparlament. Doch nach der Wahl 2011 stieg er zum Fraktionschef auf. Dabei warb er für sich mit einem Versprechen, das er bis heute umsetzt: die Fraktion zu stärken, ein Gegengewicht zur vormaligen Machtkonzentration um Klaus Wowereit zu bilden.

Links nennt er seine Politik, und das bedeutet für ihn auch, mehr Respekt für Polizisten einzufordern und strenger gegen Schulschwänzer vorzugehen. Einiges ist bei ihm auch durch seinen familiären Hintergrund mit zwei Kindern geprägt – für Saleh war es beispielsweise überhaupt keine Frage, SPD-Bildungspolitik dahingehend zu korrigieren, dass Geschwisterkinder wieder einen Platz an derselben Schule bekommen.

Salehs große Stärke ist das Netzwerken, Mehrheiten zu bilden, Deals auszuhandeln. Im direkten Gespräch kann er überzeugend sein und locker. Das aber scheint ihn zu verlassen, wenn er im großen Rahmen ans Rednerpult geht oder ein Mikro vor sich hat. Da wiederholt er mantrahaft Botschaften, wirkt eher angestrengt, fällt rhetorisch gegenüber allen anderen Fraktionschefs im Landesparlament ab – und auch gegenüber SPD-Landeschef Jan Stöß, seinem großen Konkurrenten um die Wowereit-Nachfolge. STEFAN ALBERTI