Angekommen in Phase drei

DIE 80ER JAHRE Und schon wieder sind sie wieder da. Mit John Maus, am Wochenende im HAU 2. Der gewaltige Hype um sein seit Langem ausverkauftes Konzert war, wie sich dabei herausstellte, berechtigt und übertrieben zugleich

Auch schon davon gehört? Die Achtziger sind wieder da. Wissen Sie natürlich längst, klar. Deswegen etwas genauer: Wir sind in eine neue Phase des Achtziger-Revivals eingetreten. In der ersten Phase wurde sich der Achtziger als Trash-Jahrzehnt erinnert, superironisch natürlich. Weißt du noch: Boris Becker, Schweißbänder, Commodore 64? Dann, in der zweiten Phase, wurden die Achtziger total ernst genommen, und jede junge Band stellte den Gitarrensound der Gang of Four nach oder arbeitete sich am Funk von Bands wie ESG ab. Die neue Phase kombiniert die beiden bisherigen Revival-Positionen und arbeitet sich also ironisch an den Achtzigern ab. Tief steigt man ein in die Soundwelten obskurster Soundtracks aus jenen Jahren und findet Synthiebombast von damals nicht mehr nur lustig oder cheasy, sondern ganz im Ernst einfach nur gut. Die neuen Bands aus Phase drei kommen vor allem aus den USA und heißen Rangers oder Emeralds und definieren den Synthie-Pop als Kunstform gerade neu.

Einer der größten Stars dieser neuen Achtziger-Revival-Phase ist John Maus, der am Wochenende im Hau auftrat und dessen Konzert schon Tage vorher ausverkauft war. Der Hype im Vorfeld war ja auch gigantisch. Für einen Artikel in der Spex über das neue Wunderkind konnte Wolfgang Tillmans als Fotograf gewonnen werden, der ansonsten nur noch in der Größenordnung Pet Shop Boys für Musikmagazine auf den Auslöser drückt. Und Nicolette Krebitz outete sich im Spiegel als Fan des Sängers, der außerdem noch erfolgreich eine akademische Karriere eingeschlagen hat, was ihm zusätzlichen Exotenbonus beschert und seine Musik als intellektuell durchdachte Konzeptkunst erscheinen lässt.

Ausgewachsene Hypes sind meist berechtigt und übertrieben zugleich. Das bestätigte sich einmal mehr beim Auftritt von John Maus, bei dem man nicht recht wusste, ob man ihn nun super oder superbescheuert finden sollte. Man starrte auf eine schummrige Bühne, auf der in alkoholseligster Karaoke-Manier der Star des Abends permanent hüpfte und sich verausgabte wie beim Workout. Hinter ihm saß noch ein Typ herum, der immer mal wieder die Arme in die Luft riss, von dem man aber nicht genau wusste, was genau er sonst noch den ganzen Abend über machte. Die Musik war eine Mischung aus „The Final Countdown“-Intro und dem Inhalt aus Best-of-Eighties-Kaufhaus-CDs. Dazu kam der abartig verfremdete Gesang von John Maus, auf dem mehr Hall lag als auf einem Dubplate von Lee Perry und der klang wie eine Kreuzung aus den Stimmorganen von Ian Curtis von Joy Division und dem Sänger der Fields of the Nephilim. Zusammengenommen ergab das ein recht irrwitziges Klanginferno aus Gruft und Superpop, das immer neue Referenzen und Zitate im Sekundentakt ausspuckte. Irgendwo tanzten ein paar Typen ganz in der angesprochenen ernsthaft-ironischen Manier, als würden sie tatsächlich in einem Videoclip von Heaven 17 aus dem Jahre 1982 auftreten, und trugen dazu Krawatten mit Klaviertastaturmuster, die eigentlich ganz gut aussahen.

Jede Nummer von John Maus war natürlich ein echter Hit, das Verständnis dieses Mannes für Popsongeffekte, die zünden, ist einfach immens. Trotzdem war es auf die Dauer so, als würde man sich nochmals Stephanie von Monacco aus dem Jahr 1986 anhören. Ihr Hit „Irrisistible“ ist immer noch wunderbar, angenehm klebrig und ernsthaft gut. Eine ganze Platte und mehr als 20 Minuten von dem Zeug braucht man aber eigentlich nicht. ANDREAS HARTMANN