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War Altona ein Hort der Toleranz?

■ betr.: „Wir Dänen“, taz.nord vom 23. / 24. August 2014

Naja, da würde ich das Werk „Altona – Geschichte einer Stadt“ von Holmer Stahncke empfehlen. Zwar gewährte der dänische König vor 350 Jahren Religions- und Gewerbefreiheit, die viele Verfolgte anlockte. Er tat dies aber mit dem Hintergedanken, dass diese oft gut ausgebildeten Neuankömmlinge aus Holland oder Portugal der dänischen Stadt im Konkurrenzkampf mit Hamburg Vorteile verschafften, sagt Stahncke.

Axel Tiedemann schreibt im Hamburger Abendblatt über Stahnckes Buch: „Toleranz sei keine Idee der Altonaer gewesen, sondern eine der Landesherren. Für die Altonaer selbst waren die neuen Siedler wohl eher Konkurrenten, die nicht im eigentlichen Dorf wohnen durften, sondern im neuen Ortsteil ,Freiheit‘ – der Großen Freiheit an der heutigen Reeperbahn. ,Sicher, Dänemark hat Altona groß gemacht‘, sagt der Historiker. Aber Dänemark habe später Altona am langen Arm verhungern lassen. ,Die Zeitgenossen haben unter den Dänen gelitten, sie konnten nie wie die Hamburger selbst bestimmen.‘ Als die dänischen Soldaten dann 1864 wieder abrücken mussten, habe man in Altona gejubelt. Der ,Dänemark-Kult‘, glaubt Stahncke, der sei erst in den 70er-Jahren entstanden, als das kleine Nachbarland für viele Hamburger zum beliebten Ferienziel wurde.

Auch der Legende von der angestrebten Unabhängigkeit verpasst das Altona-Buch, das völlig ohne überhöhte Heimatkunde-Folklore auskommt, einen Dämpfer. Die beiden Altonaer Oberbürgermeister Bernhard Schnackenburg und Max Brauer etwa hatten bereits Anfang des 20. Jahrhunderts einen Anschluss an Hamburg angestrebt, schreibt Stahncke.

Doch Hamburg lehnte die Übernahme der hoch verschuldeten Nachbarstadt ab, die auch nie wie so oft zitiert die ,schöne Schwester‘ gewesen sei. Stahncke: ,Altona war alles mögliche: Widersacher, Konkurrent, Profiteur, Partner und schließlich Opfer Hamburgs.‘ Aber nicht die schöne Schwester, sondern in Betrachtung der Zeitgenossen wohl eher ein ,langweiliges Provinzstädtchen und Arbeiterslum‘“.  VERKEHRSFRITZE, taz.de

■ betr.: „Wir Dänen“, taz.nord vom 23. / 24. August 2014

Altona ist auf skandinavischem Boden gebaut. Der „Alte Schwede“, ein riesiger Findling am Elbstrand gibt davon Zeugnis, dass skandinavischer Boden während der Eiszeit nach Hamburg verschoben wurde. Nein, mal ganz im Ernst, Geschichte sollte man nicht zurückdrehen wollen, das funktioniert einfach nicht. Altona ist aber nicht nur für Hamburger immer noch etwas Besonderes und die dänische Vergangenheit spielt dabei sicher eine ganz entscheidende Rolle. Man sollte sich die positiven Eigenheiten wie zum Beispiel Toleranz und Weltoffenheit schon bewahren – finde ich. Immerhin steht Hamburg vielfach in der Welt gerade für diese Tugenden, ob nun begründet oder nicht, sei mal dahingestellt.  RAINER B., taz.de

■ betr.: „Wir Dänen“, taz.nord vom 23. / 24. August 2014

Da möchte ich nicht widersprechen. Ich finde es nur fragwürdig, wenn man versucht sich selbst solche Eigenschaften zuzuschreiben, denn gerade Toleranz und Weltoffenheit sind Dinge, die eher jene zu beurteilen haben, die anderswo auf solche Werte nicht stoßen und beispielsweise diskriminiert werden. Sich eine Identität zu schaffen, indem man sich von anderen abgrenzt und sie schlecht macht, halte ich für fragwürdig. Und gerade das stellt man häufig in Altona fest. So ein kollektives „Wir sind besser als ihr“ wie in Altona habe ich in keinem anderen Bezirk je erlebt. Auch nicht in jenen wie Wandsbek, die zeitgleich mit Altona Teil Hamburgs wurden, nachdem sie es über Jahrzehnte schon versucht haben. In Altona redet man sich hingegen ein, dass man nie zu Hamburg wollte und schiebt es auf NS-Gesetze, obwohl es genau umgekehrt war. Mir ist auch nicht aufgefallen, dass man in Blankenese, Ottensen oder Lurup toleranter gegenüber Migranten, Homosexuellen und anderen benachteiligten Gruppen ist als in Hoheluft, Winterhude, Harburg oder Rahlstedt. Erstere Stadtteile stehen auch eher für „exklusive“, recht homogene Bevölkerungsstrukturen.  VERKEHRSFRITZE, taz.de

■ betr.: „Wir Dänen“, taz.nord vom 23. / 24. August 2014

Das bleibt leider auch alles sehr im Subjektiven und jeder macht da andere Erfahrungen in und mit den diversen Stadtteilen. Interessant fände ich es, wenn man mal die Verwaltungspraxis der Bezirke im Hinblick auf „Toleranz“ und „Weltoffenheit“ untersuchen und vergleichen würde. Dazu müsste man sich natürlich vorher erst mal auf halbwegs zuverlässige Kriterien für „Toleranz“ und „Weltoffenheit“ verständigen. Kein leichtes Unterfangen.  RAINER B., taz.de

Zwei taz.de-Leser stritten in der vergangenen Woche leidenschaftlich über die Frage, wie tief verwurzelt die Toleranz in Altona historisch ist. Wurde sie gar dort erfunden? Ist Altona Hamburgs gutes Gewissen? Oder nicht doch eher eine Konkurrentin, deren Einwohner das Anwerbeprogramm für auswärtige Fachkräfte zähneknirschend über sich ergehen ließen? Und greift die neo-danophile Szene auf die vermeintliche Toleranz vor allem deshalb zurück, um sich – positiv – von anderen Stadtteilen abzugrenzen? Einig sind sich beide Schreiber immerhin darin, dass die Toleranz – ob nun von ober oder von unten – wünschenswert ist.