Kurz und sprudelig

LITERATUR Fast vergessen ist die US-amerikanische Schriftstellerin Grace Paley in Deutschland, seit Längerem sind ihre Kurzgeschichten nur noch antiquarisch erhältlich. Jetzt wird sie wieder entdeckt

Häufig behandeln Paleys Geschichten den Überlebenskampf der Immigranten in der New Yorker Bronx

„Eine ältere Dame, ausgezehrt und steif, saß in einem Garten neben einer wunderschönen, jungen Frau, deren zwei Kinder, im Alter von acht und neun, vor acht Monaten entführt worden waren.“ Was für ein Anfang! Er ist ganz typisch ist für die Short Storys der US-amerikanischen Schriftstellerin Grace Paley. Häufig sind sie im Immigrantenmilieu angesiedelt, behandeln die Konflikte und den Kampf der Eingewanderten ums Überleben in der New Yorker Bronx. In Deutschland ist Paleys Werk weitgehend vergessen. Nun aber wird es wiederentdeckt.

1922 wird Grace Paley als jüngstes von drei Kindern einer jüdischen Familie aus der Ukraine in New York geboren. 30 Jahre alt ist sie, als sie nach Jahren als Sekretärin und Hausfrau ihre erste Kurzgeschichte veröffentlicht, und es dauert ein bisschen, bis sie den ersten von insgesamt drei Bänden mit Erzählungen vorlegt. Sie gewinnt vor allem mit Philip Roth einen prominenten Fürsprecher, unterrichtet bald Literatur unter anderem an der Columbia University und dem City College of New York. Paley zieht ihre Kinder groß, engagiert sich in der Frauenbewegung und der Antikriegsliga. Landesweit wird sie bekannt, als sie Ende der 1960er ins vietnamesische Hanoi reist, um über die Freilassung von Kriegsgefangenen zu verhandeln. Zugleich ist sie eng mit den Postmodernen um Donald Barthelme und Robert Coover verbandelt. 2007 stirbt sie nahe New York.

Warum allein die kurze Form? Weil Kinder einen vom Schreiben langer Texte abhalten und weil sie am liebsten Lyrik schreibt. Sie publiziert nur eine handvoll Gedichte – sie sei darin nicht gut gewesen, bekennt sie einmal. 1971 veröffentlicht der Suhrkamp-Verlag ihren ersten Erzählband „Fleischvögel – Schöne Geschichten“. Mitte der 80er folgen dann „Ungeheure Veränderungen in letzter Minute“ und „Später am selben Tag“. Sie sind seit Längerem nur noch antiquarisch erhältlich.

Nun hat sich der Schöffling-Verlag ihres Werks angenommen und macht es in einer Neuübersetzung von Sigrid Ruschmeier wieder zugänglich. Als Appetizer stellt die Literaturwissenschaftlerin Manuela Reichart Paley im Hamburger Literaturhaus vor. Die Schauspielerin Leslie Malton wird die Texte lesen – was eine mehr als gute Wahl ist, denn Maltons manchmal ein wenig spröde, vor allem aber unaufgeregte Art des Vortragens passt hervorragend zu den leicht queren, sprudeligen und immer überraschenden Kurzgeschichten Paleys.  FRANK KEIL

■ Di, 2. 9., 19.30 Uhr, Literaturhaus Hamburg