INDIE?

Ale Dumbsky, Read Magazin

„Indie“ (wahlweise „Alternative“), ist ein von der Musikindustrie bereits schon lange verwursteter Begriff, der mir ziemlich auf die Nerven geht – insbesondere in seiner verniedlichten Form. „Independent“ stand in grauer Vorzeit (D-Mark, Mauer, Helmut Kohl), und im wörtlichen Sinne für unabhängig und selbst organisiert. Er galt hauptsächlich für Plattenläden, Labels, Vertriebe und Kapellen. Im Laufe der Zeit wurde der Begriff dann zu einem merkwürdigen wie absurden Synonym für Sound. War eine Band etwas krachiger als die anderen, waren die Songstrukturen nicht Standard, wurden unübliche Instrumente verwendet, waren die Texte keine Hausmannskost; was auch immer: Irgendwie war das alles „Indie“. Mit dem Resultat, dass in den Plattenläden Kisten mit „Indie“ beschriftet standen, in die alles reingestellt wurde, was nicht rechtzeitig auf den Format-Baum kam. Längst haben auch Major-Plattenfirmen „Indie“-Bands im Katalog. Wenn es sich in Sachen Musik 2014 um „Independent“ und „Alternative“ dreht, sind die Begriffe abgeschliffen, ausgehöhlt und nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Das Read Magazin ist aus dem Radar Hamburg International Independent Film Festival entstanden. Mein Partner Boris Castro und ich haben das fünf Jahre lang in Hamburg veranstaltet. Das Programm zum Festival war im Zeitungsformat, großzügig gelayoutet, die Texte zu den Filmen waren, nun ja, anders als bei anderen Festivals. Das Programmheft hat sich großer Beliebtheit erfreut, so dass wir daraus eine zweimonatliche Zeitung gemacht haben und das Festival eingestellt wurde. Unser Konzept ist ein kurzes: Keine Formatierung, was gut ist, kommt rein. Das Heft erscheint inzwischen in einer Auflage von 15.000 Exemplaren, die ausschließlich gedruckt und gratis verteilt werden. Die Heftinhalte sind zuerst exklusiv bei uns. Einen Monat nach der Veröffentlichung können die jeweiligen Autoren ihre Sachen auf Blogs, Facebook oder ihren Homepages veröffentlichen. Ach ja, Geld gibt es natürlich auch keines. Schlechtere Bedingungen sind kaum möglich, aber es läuft prächtig: Waren in den ersten Ausgaben nur Leute aus unserem direkten Umfeld Beitragende, kommen sie jetzt – egal ob Autor, Illustrator oder Fotograf, von überallher. Neben den Beiträgen aus Deutschland und Österreich ist inzwischen Stoff aus China, den USA, Italien, selbst Madagaskar mit dabei. Offensichtlich wollen die Autoren im Heft erscheinen, eine andere Erklärung für viel Arbeit unter beschissenen Bedingungen haben wir nicht. Selbiges gilt für den Vertrieb: Neben den Schwerpunkten Norddeutschland und Berlin (mit inzwischen eigener Auflage), haben wir bundesweit in diversen Städten Verteiler, die den Job unentgeltlich machen.

Alles indie-supi also. Mit den Ausnahmen, dass wir unsere Autoren gerne bezahlen möchten, monatlich rauskommen wollen, gerne eine internationale Ausgabe an den Start bringen wollen. Aber solange es formatierte, verschnarchte Hefte oder Fake-„Indie“-Publikationen und Gülle wie „Business Punk“ gibt, soll das als Motivation erst mal reichen.