Gerne auch mal aggressiv

EINE FRAGE DES STILS

Das eindrucksvollste Erlebnis mit Klaus Wowereit hatte ich bei einem Interview im Juni 2013. Ein Jahr nach der verpatzten BER-Eröffnung wollten wir mit ihm über seinen Umgang mit dem Misserfolg sprechen. Verständnisvoll fragte ich, wie sehr ihn das belaste. „Jetzt schauen Sie mich nicht so an“, schoss er zurück und verzog das Gesicht zu einer weinerlichen Grimasse. Womit er mich offensichtlich nachäffen wollte. Mich, die Heulsuse von der taz. Alle weiteren Fragen zum Flughafen beantwortete er nur äußerst knapp.

Das war typisch für Wowereit. Mitleid war das Letzte, was er wollte. Statt Schwäche zu zeigen, ging er lieber zum Gegenangriff über. Das gehörte zu seinem Politikstil.

Deshalb fiel es ihm auch schwer, angesichts des Flughafendesasters angemessen reuevoll aufzutreten. Seinem Amts- und Parteikollegen aus Brandenburg, Matthias Platzeck, nahm man ab, dass er sich für seine Fehler öffentlich entschuldigen wollte. Wowereits Auftreten wirkte immer wie eine beleidigte Vorwärtsverteidigung.

Seine Reaktion im Interview war auch typisch für seinen Umgang mit Journalisten. Wenn ihm etwas im Gespräch nicht passte, wurde er aggressiv. „Von der taz hätte ich eine solche Frage nicht erwartet“, bekam man dann zum Beispiel zu hören.

Trotzdem werden die Medien ihn vermissen. Denn trotz seiner Kaltschnäuzigkeit ist Wowereit durchaus ein angenehmer Gesprächspartner. Er kann schlagfertig sein und manchmal auch witzig. Er redet wie gedruckt, da gibt es hinterher keine Füllwörter und Nebensätze wegzuredigieren. Die Kandidaten für seine Nachfolge müssen sich da noch ganz schön strecken.

ANTJE LANG-LENDORFF