Mehr als nur der Glamour

KULTURSENATOR GESUCHT

Die Kultur braucht keinen Fürsprecher, der sie nur zur Repräsentation nutzt

Mit dem Rückzug von Klaus Wowereit als Regierender verliert die Stadt auch gleich noch ihren „Partymeister“ – gemeint ist der Kultursenator, den Wowereit seit 2006 im Zweitjob gab. Wowereit hatte die Kultur zur „Chefsache“ erklärt. Mit einigem Erfolg: Er sicherte den kulturellen Leuchttürmen, den Opern, Museen, Festspielen, Gedenkstätten und auch großen Theaterbühnen die finanzielle Ausstattung und erwies ihnen Reverenz. Kultur wurde die „beherrschende Industrie“ an der Spree, wie Ex-HAU-Intendant Matthias Lilienthal analysierte. Berlin war Hauptstadt der Hochkultur und Coolness – und Wowereit erster Premierengast.

Trotzdem muss sich die Konstruktion „Kultur macht der Chef“ wieder ändern. Berlin braucht einen eigenständigen und unabhängigen Kultursenator, auch weil die Ausrutscher und Niederlagen – die Kunsthalle, die Staatsoper, die ZLB – am Regierenden Bürgermeister kleben blieben und ihn in seinem Amt zutiefst beschädigten. So viel Pech muss nicht sein.

Umgekehrt benötigt die Berliner Kultur keinen Fürsprecher, der sie nur zur Repräsentation oder als Glamourfaktor nutzt. Die Szene braucht ein Konzept und einen Senator, der dieses Konzept aufstellt und finanziell durchsetzt: Die jungen Künstler benötigen ein langfristiges Atelier- und Förderprogramm, die Tanzszene muss in der Stadt gehalten werden, der Dialog mit der Szene, mit migrantischer Kultur ist nötig. Kleine Theater brauchen eine Überlebenschance. Weder die hippen Ecken noch die Subkulturen dürfen von Investoren ausgetrocknet werden. Kultur muss Teil der Stadtentwicklung sein. Und natürlich wird eine neue ZLB gebaut werden müssen: Kulturelle Bildung ist direkte Demokratie. Das alles schreit nach einem eigenen Ressort – nicht nach einem weiteren Regierenden Partymeister.

ROLF LAUTENSCHLÄGER