Zum ersten Mal ein Dreikampf

UND WER KOMMT JETZT?

Dass in Berlin die SPD-Basis über Wowereits Nachfolge entscheiden soll, ist vom Verfahren her erst einmal nicht neu – auch wenn es schon eine Weile her ist: 1995 und 1999 konkurrierten jeweils zwei Parteimitglieder bei einem Mitgliedervotum um eine Spitzenkandidatur. Mit dem Dreikampf zwischen Raed Saleh, Jan Stöß und Michael Müller aber steuern die Sozialdemokraten auf ein Novum zu. Das gab es in der SPD sogar bundesweit bislang nur einmal: bei einer Urwahl 1993, als sowohl Rudolf Scharping als auch Heidemarie Wieczorek-Zeul und Gerhard Schröder Parteivorsitzende werden wollten. Scharping gewann.

Michael Müller sind in einem solchen Verfahren weitaus größere Chancen einzuräumen als bei einem Parteitag. Bei den normalerweise rund 220 Delegierten hätte er genauso wenig eine Chance wie im Juni 2012, als diese an seiner Stelle Stöß zum Parteichef machten. Nach dieser Niederlage galt Müller schon als abgeschrieben, doch mit viel Einsatz für das Megathema Mieten und Wohnungen kam er wieder zurück.

Anders als die Delegierten sind die 17.000 Mitglieder, von denen höchstens jedes fünfte in irgendeiner Form aktiv ist, wahrscheinlich weniger festgelegt und offener für überzeugende Auftritte eines Kandidaten. Und Müller hatte im vergangenen Jahr im Abgeordnetenhaus einige davon.

Natürlich ist er der Mann, der am meisten für die gescheiterten Bebauungspläne am Rand des Tempelhofer Felds stand. Aber Müller selbst war nicht Ziel der breiten Ablehnung – anders als Klaus Wowereit, denn mancher benutzte den Volksentscheid dazu, dem Regierenden einen einzuschenken

Würde sich Müller nun durchsetzen, wäre damit doch wieder die Erbfolgeregelung in Kraft, die Wowereit lange vor Augen hatte. Zehn Jahre war Müller sein Fraktionschef und Mehrheitenbesorger im Abgeordnetenhaus, acht Jahre organisierte er als Vorsitzender die Partei für ihn. An ihm als Wowereits Nachfolger schien lange kein Weg vorbeizuführen. Setzte er sich durch, dürfte das bei Wowereit für große Genugtuung sorgen – und für ein breites Grinsen des Nochregierenden in Richtung vergeblicher Bewerber.

STEFAN ALBERTI