Bewerbungskick am Samstagmorgen

Am Wochenende spielten 150 junge Fußballerinnen um die begehrten Plätze im neuen Werder-Frauenteam – teils heimlich, aber immer mit viel Ehrgeiz. Die Trainer von Mädchen- und Frauenmannschaften in den Umlandgemeinden zittern derweil um ihre besten Spielerinnen

„Bremens Hoffnung tritt teilweise unter Niveau in Orten wie Kirchweyhe, Bassen-Posthausen oder Fischerhude nach dem Ball“

Aus Bremen JESSICA RICCÒ

Der Wind peitscht über den matschigen Rasen. Fröstelnd warten 75 junge Frauen darauf, dass ihnen ein Trikot überreicht wird. Rot, gelb, orange – in drei Teams sollen sie an diesem Samstagmorgen auf dem Gelände einer zur Hälfte abgerissenen Sportschule auf dem Bremer Stadtwerder zeigen, was in ihnen steckt: Fußball-Talente für den Bundesligaklub Werder Bremen.

Mirja Krämer hat gute Chancen, im Kader zu landen. Die 22-Jährige spielte bereits für die niedersächsische Landesauswahl und zuletzt beim ATSV Scharmbeck-Stotel. Dazwischen liegen Welten: Während der ATSV der Eröffnung der neuen Umkleide entgegenfiebert, möchte Werder für zwei Millionen Euro noch einmal das Weserstadion auf 50.000 Plätze aufstocken. Auch wenn Mirja wahrscheinlich nie selbst in der Arena und vor so vielen Zuschauern spielen wird – sie will unbedingt zu den Grün-Weißen und läuft zum Bewerbungstraining auf – trotz Armverletzung.

„Die Zahl der Bewerberinnen ist groß“, sagt Trainerin Birte Brüggemann, „bei 270 Kandidatinnen mussten wir bereits 100 Absagen verschicken.“ Gerade ein großer Name wie Werder zieht weite Kreise und so sandten hoffnungsvolle Fußballerinnen neben dem Anmeldeformular oft auch aufwändige Briefe mit Fotos von Pokalen und Zeitungsausschnitten ein. Auch aus Hamburg bewarben sich pendelbereite Spielerinnen, eine Berlinerin sagte kurzzeitig ab. Wie sie erst spät bemerkte, ließ sich die vierstündige Fahrt nach Bremen trotz aller Liebe zu Grün-Weiß nicht mit ihrem Stundenplan verknüpfen.

Was für die ehrgeizigen Fußballerinnen ein Geschenk des Himmels ist, kann für kleinere, bisher starke Vereine aus dem Umland der Tod sein: Viele ihrer besten Spielerinnen haben sich beworben. „Eigentlich macht man so einen Wechsel nicht“, sagt eine Kandidatin. „Mein Trainer zumindest hat keine Ahnung, dass ich hier bin. Allerdings ist meine halbe Mannschaft hier. Unwahrscheinlich, dass er das nicht spitzkriegt.“

Mit Einverständnis ihres Trainers ist Julia Hohagen anwesend: Aufgrund eines Kreuzbandrisses steht ein Wechsel derzeit ohnehin nicht zur Debatte. Seit 14 Jahren spielt sie im Bremer Verein BTS Neustadt. Auch sie würde gerne professioneller kicken und beobachtet das Spiel mit knirschenden Zähnen: „Man sieht, dass viele Spielerinnen jahrelang im Training sind und auf eine solche Gelegenheit gewartet haben“, sagt die 22-Jährige. Bei dieser Kälte würde sie selber auch lieber rennen und schwitzen. Die Hoffnung, von Werder eines Tages doch noch entdeckt zu werden, hat sie aber noch nicht aufgegeben: „Ich glaube, wenn sich das Team einigermaßen etabliert hat, werden sie gute Spielerinnen den kleinen Vereinen doch noch direkt abwerben.“

Die Trainer Birte Brüggemann und Frank Schwalenberg spielen heute böser Cop, guter Cop: Brüggemann scheucht die Bewerberinnen über den Platz, Schwalenberg erinnert sie daran, in den Pausen Wasser zu trinken. Die Frauen spielen je eine Viertelstunde, dann wird ausgetauscht. „Im Grunde bin ich sehr zufrieden“, sagt Brüggemann. „Es ist erstaunlich, wie viele Talente im Umland spielen.“ Bremens Hoffnung tritt teilweise unter Niveau in Orten wie Kirchweyhe, Bassen-Posthausen oder Fischerhude nach dem Ball – von dort gilt es, Spielerinnen zurück nach Bremen zu holen. Und sie umzustellen von Defensiv- auf Offensivfußball.

Von defensivem Fußball geprägt ist auch Katharina Hamann. Bisher hat Mirjas Cousine bei der männlichen A-Jugend vom VfL 07 Bremen gespielt, mit ihren 17 Jahren bewegt sie sich aber an der Grenze ihrer Sondergenehmigung. Ab nächstem Jahr muss eine Frauenmannschaft her. „Passt perfekt“, findet Katharina, „muss nur noch klappen.“ Ob Mirja und Katharina es geschafft haben, erfahren sie gegen Ende der Woche.

Eine erfolgreiche Spielerin steht dagegen bereits fest: Die 16-jährige Jennifer Martens wurde schon vom DFB als Torhüterinnen-Talent entdeckt. Vor einigen Monaten plante sie noch die Abwanderung zum 1. FFC Turbine Potsdam, aber dann kam Werder. Dem Probetraining sah sie gelassen entgegen. Fast eine Stunde später als die übrigen Bewerberinnen traf sie am Platz ein und entschied das Spiel dennoch für ihr Team.

Am Ende ist Trainerin Brüggemann zufrieden: Die Bewerberinnen seien leistungsstark und spielten auf ähnlichem Niveau – „das wird keine leichte Auswahl. Mit Jennifer haben wir schon einen Stein im Brett. Sobald sich Teamgeist entwickelt, hapert es hoffentlich auch nicht mehr so mit dem richtigen Timing“.