Schünemann hält sich an Karlsruhe

Privatsphäre wird stärker geschützt, die vorbeugende Telefonüberwachung entfällt: Die Novelle des niedersächsischen Polizeigesetzes berücksichtigt künftig sogar Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes

Niedersachsens Polizei muss beim Lauschen künftig die Privatsphäre stärker beachten. Abgehörte oder aufgezeichnete Gespräche von Verdächtigen in Wohnungen und auch im Freien dürfen künftig nicht verwendet oder müssen sogar gelöscht werden, wenn über Privates geredet wird. Mit diesem neuen Passus zieht die Novelle des niedersächsischen Polizeigesetzes Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Großen Lauschangriff, das „den mangelnden Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung“ in der Strafprozessordnung gerügt hatte.

Heute wird das Kabinett das Gesetz beschließen. Die Novelle sei „vernünftig“ und schließe „vorhandene Lücken im Gesetz, ohne die Bürgerrechte zu tangieren“, sagte vorab der FDP-Innenpolitiker Jörg Bode.

Durchgesetzt haben sich die Liberalen auch bei der von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) geplanten vorbeugenden Telefonüberwachung: Die Maßnahme kommt nicht mehr ins Gesetz, obwohl ein Göttinger Rechtsgutachter eine vermeintlich gerichtsfeste Regelung vorgeschlagen hatte. Im Juli 2005 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem weiteren Urteil das zuvor beschlossene Landes-Polizeigesetz kassiert: Die Regelung zur vorbeugenden Telefonüberwachung, nach der Verdächtige im Vorfeld von Straftaten abgehört werden dürfen, wurde in Karlsruhe gekippt. Das Gericht hielt sie für zu unbestimmt. Die Polizei durfte bereits lauschen, wenn sie den Verdacht auf schweren Diebstahl hatte.

Bei der neuen Version gibt es eine hohe Hürde für das präventive Abhören: Es ist nur noch „zur Abwehr gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben“ möglich. Und nicht, wie Schünemann gewollt hatte, um Terroristen und Extremisten bereits vor der Planung möglicher Straftaten abzuhören.

Das Gesetz sieht auch vor, die Aufzeichnungsmöglichkeiten von Videokameras auszuweiten. Künftig sollen diese aufzeichnen dürfen, wenn Gefahr von Terroristen drohen könnte. Das war bislang nicht möglich. Aufnahmen speichern darf die Polizei bald auch in der Umgebung von „Kriminalitätsschwerpunkten“. Hier darf die Kamera künftig Dealer filmen und dies aufnehmen – nicht nur in der direkten Nähe von möglichen Straftaten. Zudem werden die Möglichkeiten der Polizei, Autokennzeichen zu speichern, konkretisiert. Nicht verdächtige Nummernschilder müssen aber, so will es das Gesetz, sofort wieder gelöscht werden. KAI SCHÖNEBERG