Wertstoffklau und Scherbenpuzzle

Seit einem Jahr können die Verbraucher alte Kühlschränke, Fernseher und Taschenrechner kostenlos zurückgeben. Die Hersteller müssen für die Verwertung sorgen. Doch das neue bundesweite Rücknahmesystem funktioniert nicht richtig

VON BEATE WILLMS

Die Erwartungen waren groß, als das bundesweite Rücknahmesystem für alte Elektro- und Elektronikgeräte vor knapp einem Jahr an den Start ging. „Möglichst viel Umweltschutz mit möglichst viel Wettbewerb“ hatte das Bundesumweltministerium versprochen. Bis jetzt ist von beidem nicht viel zu sehen. Der neue Markt wird von wenigen Herstellerkonsortien und Systembetreibern beherrscht. Und auch der Umwelt hat es wenig genutzt: Repariert oder zu größeren Teilen wiederverwertet werden die alten Waschmaschinen, Computer und Kleingeräte kaum. Wertvolle Rohstoffe wie verschiedenen Glassorten werden so vermischt, dass man sie nicht wiederverwenden kann.

Mit dem Rücknahmesystem wird das Elektro- und Elektronikgesetz (ElektroG) umgesetzt, das die Hersteller in die Verantwortung für ihre Produkte nimmt – und zwar bis hin zu deren umweltverträglicher Entsorgung, für die es konkrete Quoten vorgibt. So weit, so klar. Wesentlich komplizierter ist die Ausgestaltung des Systems: Jeder Hersteller muss sich bei der eigens gegründeten Stiftung Elektroaltgeräteregister (EAR) eintragen lassen und dabei einen Vertrag mit einem bundesweit agierenden Entsorgungsunternehmen nachweisen. Der Schrott wird von den Kommunen eingesammelt und auf den Wertstoffhöfen nach Produktgruppen getrennt deponiert. Ist ein Container voll, meldet die Kommune das an die EAR, die entscheidet, welcher Hersteller mit der Entsorgung an der Reihe ist. Dieser beauftragt seinen Entsorger, der dann einen neuen Container zur Sammelstelle bringt und den alten zum Erstbehandler, also der eigentlichen Recyclingfirma fährt.

Die praktischen Probleme beginnen aber schon, bevor der Elektroschrott in den Sammelstellen landet – und enden dort auch nicht. „Die Geräte werden vor der Haustür geklaut oder ihrer Wertstoffe beraubt“, erklärt Eva Leonhardt, Abfallexpertin der Deutschen Umwelthilfe.

Auch an den Sammelstellen läuft nicht alles rund. „Die Logistikabläufe sind mittelalterlich, das Beauftragungssystem ist nicht modern“, sagt Achim Schröter, stellvertretender Geschäftsführer des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU). Die Entsorger streiten sich darüber, wer welchen Container aufstellen und mitnehmen darf: Weil für das Abholen oft ein anderes Unternehmen zuständig ist als das, das den Container hingestellt hat, müsste es eigentlich ein munteres Tauschspiel geben. Logistiker mit wertvolleren oder neueren Modellen machen das aber nicht mit. Sie bestehen darauf, informiert zu werden, wenn ihr Container bewegt werden soll – und einigen sich mit dem beauftragten Unternehmen.

Über diesem ganzen Hin und Her geht das eigentliche Ziel des ElektroG unter, „möglichst viel Umweltschutz“ zu machen, also möglichst viel Elektroschrott möglichst stofflich zu verwerten. Andreas Habel vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) glaubt, dass vor allem „die Entpersonalisierung“ dafür verantwortlich ist: Früher gab es regionale Verwertungskreisläufe. Die Unternehmen, die beispielsweise die empfindlichen Bildröhren recycelten, holten die Geräte selbst bei den Kommunen ab. Heute müssen sie darauf warten, dass ihnen ein Container von jemandem gebracht wird, dem die Verwertung selbst vollkommen egal ist – mit dem Ergebnis, dass der oft nur noch Scherben enthält.

DUH-Expertin Leonhardt befürchtet allerdings, dass viele Probleme systemimmanent sind. „Es handelt sich um einen Markt, wo nichts etwas kosten darf“, sagt Leonhardt. Wettbewerb finde hier nur um den Preis statt, nicht um Qualität. „Sonst hätte die Privatwirtschaft wohl auch nicht so bereitwillig mitgemacht.“ Andreas Habel wünscht sich allerdings wenigstens ein paar Regeln. „Derzeit gibt es eine überschaubare Zahl von Herstellerkonsortien, die sich eine überschaubare Anzahl von Systembetreibern gesucht hat.“ Dieses Oligopol sorge für kräftigen Preisdruck.

Herausgefallen sind die sozialen Betriebe, die früher mit Demontage per Hand dafür sorgten, dass die Elektrogeräte manchmal sogar als Ganzes wiederverwertbar waren. Habel: „An denen gehen die Mengen vorbei.“ Eine ganze Reihe hat sich schon vom Markt verabschiedet.