Millionen für die Büronachbarn

Die NRW-Landespolitik ist auf ein Netzwerk von Pott-Professoren hereingefallen. Im Dickicht der Förderanträge finden Abzocker und Glücksritter ein Auskommen, so Kenner der Subventionsszene

VON KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

Der Brößweg 40 in Gelsenkirchen muss eine sehr produktive Adresse gewesen sein. Denn dort residiert nicht nur das von der nordrhein-westfälischen Politik jahrelang als hoffnungsvolles Strukturwandelprojekt gepriesene „Inkubator-Zentrum Emscher-Lippe“, sondern auch Unternehmen wie „TecMedic Technology & Medicine GmbH“, „Gelsenkirchen Business School“ oder „Unitec Consulting AG“. Doch der Glanz der schicken Bio- und Medizintechnikfirmen ist ab. Einige der Chefs sitzen nicht mehr in ihren modernen Büros. Seit der vergangenen Woche sitzen sie in Haft.

Gegen die Gelsenkirchener Büronachbarn ermittelt die Staatsanwaltschaft Bochum. Der Vorwurf gegen drei Professoren und einen akademischen Mitarbeiter der Fachhochschule: Verdacht des gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetrugs und der Steuerhinterziehung (taz berichtete). Die Brößweg-40-Connection dürfte die Justiz noch einige Monate beschäftigen.

Fragt man FH-Rektor Peter Schulte danach, ob da nicht ein paar Firmen zuviel residierten, spricht er von „überschaubaren Einheiten“. Nicht die Anzahl der Firmen sei entscheidend, sondern deren Produktivität, sagt der Rektor der Fachhochschule Gelsenkirchen, der gleichzeitig dem Aufsichtsrat des Inkubator-Zentrums vorsitzt, mit dem angehende Existenzgründer gefördert werden sollten. In einer ersten Stellungnahme hat sich Schulte „zutiefst schockiert“ gezeigt von den Vorwürfen. Der Ruf der Hochschule mit über 6.000 Studenten und 500 Professoren und Mitarbeitern dürfe nicht unter den Taten einiger weniger leiden.

Das Wort „Inkubator“ sollte für Innovation stehen und für Wachstum und für eine neue Zeit im Ruhrgebiet. In der Medizin bezeichnet man einen Brutkasten für Frühgeburten als Inkubator, in der Biologie einen Behälter für Bakterienkulturen. Die Betreiber des Zentrums scheinen sich offenbar eher an die biologische Definition gehalten zu haben: Die Professoren-Unternehmer sollen seit Jahren für die Hochschule bestimmtes Geld von Land, Bund und EU auf Konten von Scheinfirmen umgeleitet und sich privat bereichert haben. Mit krimineller Energie haben die Akademiker angeblich Restmittel aus Fördertöpfen abgerufen, bevor diese verfielen.

Wer hat den Professoren geholfen? Und was haben hohe NRW-Beamte, die teilweise in den Beiräten der betroffenen Unternehmen saßen, gemacht? Laut Zeitungsberichten fordert das Land Nordrhein-Westfalen nun rund 4,1 Millionen Euro an Fördergeldern zurück – insgesamt sollen für Projekte der verdächtigen Forscher mehr als 30 Millionen Euro aus Steuermitteln geflossen sein. Die Opposition aus Grünen und SPD fordert nun Aufklärung, der Düsseldorfer Landtag wird sich mit der Affäre beschäftigen (siehe Interview).

„Die Förderung ist so organisiert, dass so etwas wie in Gelsenkirchen irgendwann passieren musste“, sagt ein Jungunternehmer, der gerade einen Bewilligungsbescheid des Landes bekommen hat und deshalb anonym bleiben will. „Wichtig bei Förderanträgen sind innovative Projekte – aber auch gute Beziehungen“, berichtet der Geschäftsführer. Das Geflecht von Förderagenturen, Land NRW, Städten und lokalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften führe dazu, dass persönliche Kontakte und Lobbyarbeit mitentscheidend bei der Mittelvergabe seien. „Ohne die Hilfe unseres örtlichen Abgeordneten wären wir im Ministerium wohl kaum durchgedrungen“, sagt der Unternehmer. Sei die Förderung einmal bewilligt, werde teils nur oberflächlich geprüft, wohin die staatlichen Mittel geflossen seien.

Der Gelsenkirchener FH-Rektor Peter Schulte will jedenfalls nichts davon gewusst haben, was seine Kollegen so angestellt haben. „Es gab keinen Mangel an Aufsicht. Ich habe meine Pflicht erfüllt“, sagt er.