: Mann auf die Bühne!
Kein Respekt vor Hochliteratur! Lübeck soll Thomas Mann ruhig dramatisieren lassen. Das Hamburger Thalia-Theater hat mit den „Buddenbrooks“ vorgemacht, dass das geht
Ein beliebter Dialog von Kinogängern, die aus einer Literaturverfilmung kommen, geht ungefähr so: Erste Person (hat das literarische Werk, das verfilmt wurde, nicht gelesen): „Ich fand den Film eigentlich ganz gut.“ Zweite Person: schweigt. Erste Person: „Und, wie fandest du’s?“ Zweite Person: seufzt, sagt dann: „Also, bei so einer Verfilmung geht schon viel verloren.“
Diese Kritik beruht auf dem Missverständnis, Filme oder eben auch Theaterstücke müssten die literarische Vorlage wiedergeben. Das geht nicht, schon aus Zeitgründen. Die großen Romane etwa von Thomas Mann, die sich das Lübecker Theater jetzt vornehmen will, würden Tage dauern, wollte man sie tatsächlich inszenieren. Das hält kein Publikum aus. Also muss gekürzt werden.
Aber ist das wirklich schlimm? Nur, wenn der Film/das Theaterstück dem Erzählfluss des Romans folgen will, wenn er versucht, seinen Verzweigungen und Assoziationen nachzugehen. Zwangsläufig stellt sich dann eine Unwucht ein, weil nicht auserzählt werden kann, was angefangen wurde.
Nein, wer einen Roman wie den „Zauberberg“ auf die Bühne bringen will, muss sich von der Versuchung freimachen, nacherzählen zu wollen. Er muss allen Respekt vor dem Kunstwerk ablegen, muss es zum Material degradieren.
Das Hamburger Thalia-Theater hat das mit Thomas Manns „Buddenbrooks“ vorgemacht. Es hat das Personal des Romans auf eine schiefe Ebene gestellt und die Verfallsgeschichte einer hanseatischen Kaufmannsfamilie als Stationendrama durchgespielt. Vieles ist dabei rausgeflogen, aber bitte schön: wer sagt, dass der Theaterbesuch die Lektüre des Textes ersetzen soll? Nein, ein Roman ist ein Roman, und Theater ist Theater.
Aber gerade Thomas Mann! Denk doch an die Sprache! So spricht der Kulturspießer, dem der Text heilig ist – der kanonisierte, versteht sich, darunter geht es nicht. In diesem Fall hülfe es nur, wenn Thomas Mann selbst Regie führte, aber der ist nun leider tot. DANIEL WIESE