An Quälereien will niemand Schuld sein

TIERSCHUTZ Dass der Prozess gegen den Cuxhavener Küken-Züchter Lohmann ausfällt, habe nichts mit dem Agrarministerium zu tun, sagt der Minister. Die Verstöße seien seit Jahren bekannt

LTZ-Verteidiger Roland Steiling spricht von „Verbotsirrtum“

Nein, Mitverantwortung will Gert Lindemann nicht dafür tragen, dass ein Strafprozess gegen die Geschäftsführer der Cuxhavener Firma Lohmann Tierzucht (LTZ) abgesagt wurde. Gegen entsprechende Vorwürfe der Opposition verwahrte sich Niedersachsens CDU-Agrarminister gestern im Landtag.

Gegen die beiden Chefs des Küken-Zuchtbetriebs laufen Verfahren wegen millionenfacher Tierquälereien. Der Hauptverhandlungstermin wurde allerdings abgesagt: Die zuständige Stader Staatsanwaltschaft hat einen der beiden Strafbefehlsanträge aufgehoben. Derzeit, so heißt es aus wohl informierten Kreisen, werde über einen Deal verhandelt.

Jahrelang hat LTZ Schnäbel und Zehen von männlichen Küken teilamputiert. Schuld an den Verstümmelungen trügen die Chefs allerdings nicht, sagt ihr Verteidiger Roland Steiling und spricht von einem „Verbotsirrtum“: Ministerium, Landkreis und Veterinärbehörde hätten „seit immer“ von den Amputationen gewusst, sie aber nicht untersagt. Eben das wirft die Opposition nun Lindemann vor: „Durch das jahrelange Abwarten“, sagte gestern der Grünen-Agrarpolitiker Christian Meyer, „werden die Tierquäler jetzt vermutlich nur milde bestraft.“

Lindemann selbst nannte die Argumentation der LTZ-Verteidiger „geradezu skurril“. Meyers Vorwürfe findet er trotzdem „nicht nachvollziehbar“: Stets habe sein Ministerium das Amputationsverbot für richtig gehalten. Weisungsbefugt sei aber die Veterinärbehörde des Landkreises Cuxhaven. Und die habe gehandelt – nachdem sich das Ministerium eingeschaltet hatte. Die Zeitabläufe allerdings, räumte Lindemann ein, waren zu lang: Seit 2008 weiß das Ministerium Bescheid, noch bis Januar 2011 kam es zu den Verstößen.

Den Riesen der Agrar-Branche weiterhin verbunden zeigte sich gestern die FDP: Vor einer Kriminalisierung warnte deren Agrarpolitiker Jan-Christoph Oetjen. Die Unternehmen zählten zur „Mitte der Gesellschaft“, man dürfe sie „nicht an den Rand stellen“. Weniger zimperlich ist Oetjen mit Kritikern: Eine „extremistische Wortwahl“ warf er dem Grünen-Abgeordneten Meyer vor.

Eine Linie, über die man sich bei CDU und FDP offenbar einig ist: „Militante Tierrechtler“ zählt Innenminister Uwe Schünemann (CDU) im jüngsten Verfassungsschutzbericht zu den Linksextremisten. Angeblicher Beleg für deren Gewaltbereitschaft: der Brand in einer Hähnchenmastanlage im Sommer 2010. Während die Staatsanwaltschaft noch ermittelt, verbucht Schünemann das Feuer bereits als Anschlag. THA/BES