Mehr Förderung gewünscht

PREISVERLEIHUNG Am Freitag fuhr ein Bus zu den Projekträumen, die vom Senat einen Preis für ihre Arbeit erhielten. Ihr Engagement ist die Basis für die Vielfalt der Kunst in Berlin

Gegründet 2003, gehört Spor Klübu zu den Traditionsräumen unter den Projekträumen

VON BRIGITTE WERNEBURG

Hintereinander geschrieben schauen die Namen aus wie ein avantgardistisches Gedicht: Atrans, Kotti-Shop, Autocenter, Bauchhund Salonlabor, Dada Post, Raumerweiterungshalle, Fit Freie Internationale Tankstelle, Koffer, Meinblau, Oqbo, Ozean, Spor Klübü.

So heißen einige der über hundert Projekträume und -initiativen, die sich um den von der Senatskanzlei für kulturelle Angelegenheiten ausgelobten Projektraum-Preis für 2014 beworben haben. Oqbo, Ozean, Spor Klübü erhielten den mit 30.000 Euro dotierten Preis, ebenso After The Butcher, Ausland/Projekt Archiv e. V. und Kurt Kurt.

Ohne Projekträume und Kunstinitiativen wie die nun ausgezeichneten könnte die Kunststadt Berlin einpacken. Die Pariser Kultursoziologin Séverine Marguin stellt in ihrer Dissertation über diese selbst organisierten Räume fest, dass die rund 150 Projekträume und Initiativen, die die Liste des Netzwerks aufführt, im Zeitraum 2010 bis 2013 knapp 50 Prozent der in Berlin lebenden Künstler ausgestellt haben, gerade auch in Einzelausstellungen. Mit 750 Ausstellungen pro Jahr tragen sie maßgeblich zur Vielfalt der Berliner Kunstszene bei. Neben Ausstellungen organisieren sie Künstlergespräche, Diskussionen, Filmvorführungen, Performances und Konzerte.

Die Initiativen arbeiten unter prekären Bedingungen mit einem meist aus eigener Tasche finanzierten durchschnittlichen Jahresbudget von knapp 5.000 Euro. Ihrem Zusammenschluss 2010 zu einem Netzwerk, in dem sie kooperieren, sich austauschen und als Interessenvertretung der freien Kunstszene mit dem Senat verhandeln, verdankt sich der seit drei Jahren vergebene Preis der Senatskanzlei. Er ist eine Reaktion auf diese Gespräche. Das Netzwerk freilich wünschte sich eine sehr viel breitere Basisförderung.

Auf der Bustour am Freitag zu den ausgezeichneten Projekträumen versuchte Kulturstaatssekretär Tim Renner den Gründerinnen der Raumerweiterungshalle die Sache dadurch schmackhaft zu machen, dass Preise von der Steuer befreit sind und das Geld insofern ohne bürokratische, nur mit einem Buchhalter zu bewältigende Folgen zur Verfügung stehe. Zudem wolle er sich für eine Erhöhung der Summe einsetzen.

Der selbst organisierte Raum für Filmabende, Performances, Lesungen, Diskussionen, Ausstellungen und Workshops, mit einem meist queerfeministischem Fokus, ist in der Nähe des Ostkreuzes stationiert. Der in der DDR hergestellte, erweiterbare Pavillon steht auf einer kleinen Brache, komplettiert durch eine Toilettenanlage und den Schuppen mit dem Strom. „Die Mülltonne am Eingang“, sagt die Sprecherin der fünfzehnköpfigen Gruppe, die die den Raum betreibt, „war das Erste, das wir uns geleistet haben, als das Preisgeld einging.“ Soll heißen, das Geld wird in die Infrastruktur fließen.

Ganz ähnlich wird es beim Ausland laufen. Auch dieser im Untergrund eines ehemals besetzten Hauses eingerichtete nicht kommerzielle Projektraum für Musik und Performances und entsprechende Film- und Diskussionsveranstaltungen hat Renovierungsbedarf. Die Studie von Séverine Marguin konstatiert den Projekträumen eine typische Halbwertszeit von drei bis sechs Jahren. Ausland lässt diese Grenze gerade hinter sich. Seit zwölf Jahren schon schreibt Felix, der sich gemeinsam mit Stefan, Tobi, Ruth, Konrad, Christina, Mario und Gregor als das Betreiberkollektiv vorstellte, die legendären Newsletter des Projektraums.

Ganz anders, sehr nach Galerie, sah es zuvor bei Kurt Kurt in Moabit aus. Allerdings diente der Raum Simone Zaugg und Pfelder in den Anfangsjahren eher als Organisationsbüro für Aktionen im öffentlichen Raum. Auch After The Butcher, der Projektraum von Künstlern (Franziska Böhmer und Thomas Kilpper) für Künstler, ist ein solider weißer Raum, ehemals, wie der Name sagt, eine Metzgerei.

Schlicht und weiß ist auch Matthias Mayers Spor Klübü-Raum, obwohl das schlecht zu sehen war. Derzeit füllt ihn der weiße, von innen mit Lasern bestrahlte Ballon restlos aus, den die Künstlerin Annika Hippler als Hommage an Otto Piene aufbaute. Mit dem Gründungsjahr 2003 gehört Spor Klübu zu den Traditionsräumen unter den Projekträumen.

Seit 2008 betreiben Michael Bause, Christiane Bilger, Frank Eltner, Dirk Lebahn, Seraphina Lenz und Julia Ziegler „oqbo | raum für bild wort und ton“ in der Brunnenstraße. Herzstück ist der Grafikschrank, ein wachsendes Archiv mit Papierarbeiten von rund 90 Künstlerinnen und Künstlern. Ozean schließlich, der Projektraum der Künstlerin Hester Oerlemans auf dem Gelände des Atelierhofs Kreuzberg, zeigt sich luftig und am Freitag auch lecker, mit Kaffee und Petit Fours. Oerlemans gab dem überdachten, aber sonst nur vergitterten Stellplatz eine hölzerne Seitenwand, und gewitzt schloss sie den so entstandenen Ausstellungsraum mit einem großen Gitter ab – denn so spart sie sich die Aufsicht.