die lautesten journalisten der welt: medienredakteure! von JENNI ZYLKA
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Neben einer startenden Rakete habe ich gestanden. Bin nahe an Kitas mit Halbjährigen vorbeigegangen. Habe mir Dinosaur Jr. angehört, und die Posaunen von Jericho. Doch nichts auf der Welt ist so laut wie ein Medienredakteur. Und ich habe bereits unter verschiedenen gedient.

Hier eine Abschrift eines zehnminütigen Monologs mit gemessenen 137 Dezibel eines mir vor einiger Zeit übergeordneten Medienredakteurs.

Medienredakteur (setzt sich an den Schreibtisch. Ich sitze still gegenüber): „Guten Morgen!! Na dann wollen wir mal. Erst mal den AB abhören … aha, Frau Wittenbröker vom ZDF hat angerufen und wollte mich sprechen … aber ich war schon weg … ich drück mal weiter …“ (pieps!!) „… und der Sport wollte die Kollegin sprechen …“ (zum Nebenschreibtisch:) „Hat der Sportkollege dich noch erreicht!!? Er hat mir draufgesprochen … ach, Corinna ist gar nicht da … das war die letzte Nachricht!! Mal sehen was die Planung für heute hergibt … aha, da gibt es einen Text vom Italienkorrespondenten über Berlusconis neuen Fernsehsender, der nur Wahlwerbespots zeigt … na, den ruf ich doch gleich mal an … wo ist denn noch die Nummer? Die steht doch immer auf der grünen Liste … ach ja, hier … was steht da … 0039 für Italien“, (piep piep piep piep!) „… dann 06 für Rom …“ (piep piep!!) „… dann die 237 … 65 … 03 … die Tasten sind aber auch klein … es klingelt, mal gucken, ob er … Schönen guten Tag, hier ist der Medienredakteur der taz!!!! Ich rufe wegen deines Berlusconi-Textes an und wollte nur bestätigen, dass wir den für morgen ins Blatt nehmen!!! Ja, genau wie abgemacht!!! Was?“ (Ich nutze die Siebtelsekunde Ruhe und frage am Nebentisch nach einem Schokoriegel.) „Okay, dann viele Grüße nach Rom!!!!!“ (Der Kollege vom Nebenschreibtisch schiebt mir einen Zettel mit „Haben die da kein Telefon?“ rüber. Die Chefredaktion schickt eine Mail mit dem Inhalt: „Bitte versuche, ihn kurz ruhig zu halten, haben wichtige Besprechung betr. Zukunft des Blattes.“ Ich schicke den Medienredakteur mit der Begründung, er müsse das Berlusconi-Bild zum Text persönlich aussuchen, in die Reproabteilung. Seine Ausführungen werden leiser; als er drei Stockwerke tiefer angekommen ist, sind sie auf messbare 45 Dezibel gesunken. Die Chefredaktion schickt eine Mail mit „Danke!“. Die Lautstärke steigt wieder an, als er die Treppen hochkommt.) „So, ich hab das Bild genommen, wo er aussieht wie Graf Zahl … ach, das Lämpchen blinkt, es hat also jemand angerufen …“ (Er stellt den AB auf externen Lautsprecher, blechern stammelt ein junger Autor etwas von einem Text, den er vor Wochen geschickt hat.) „Wo ist denn der Text von dem Typen!!? Ach, hier liegt er ja, na mal kurz lesen … Vortrag über Nachhaltigkeit … Bundespräsident … Bildungsauftrag … Big Brother … kann man doch machen!!!!!“

Und so weiter und so fort. Nach hinlänglicher Erforschung des Phänomens „lauter Medienredakteur“ bin ich zu überraschenden Ergebnissen gekommen: 1. Medienredakteure eignen sich gut zur Unterhaltung Hörgeschädigter. 2. Medienredakteure eignen sich gut zur Unterhaltung Blinder. Ich schlage darum vor, jedes Versehrtenheim mit mindestens einem Medienredakteur zur Informationsübermittlung auszustatten.