ERIC BONSE ZUM GIPFELTREFFEN DER EUROPÄISCHEN UNION
: Riskantes Spiel auf Zeit

Die EU müsste in Sachen Ukraine sofort aktiv werden, nicht erst in einer Woche

In Gefahr und Not bringt der Mittelweg den Tod. An diesen alten Sponti-Spruch fühlt man sich nach dem EU-Sondergipfel in Brüssel erinnert. Er sollte ein neues Führungsteam für die nächsten fünf Jahre nominieren – und brachte wieder nur einen halb garen Kompromiss. Er sollte eine klare Antwort auf die militärische Eskalation in der Ukraine geben – doch die EU-Chefs spielen auf Zeit.

Erst in einer Woche soll die Entscheidung über neue Sanktionen gegen Russland fallen. Dabei wäre Eile geboten, um die russische Intervention zu stoppen. Doch die EU-Kommission ist offenbar nicht in der Lage, jene „bedeutsamen Schritte“ einzuleiten, die der scheidende Ratspräsident Van Rompuy angekündigt hat.

Dabei ist klar, was jetzt zu tun wäre: Waffenruhe, Grenzsicherung und humanitäre Hilfe heißen die Stichwörter, die zu einer politischen Lösung in der Ukraine führen können. Dazu müsste die EU sofort aktiv werden und nicht erst in einer Woche. Genau dafür – schnelle Reaktion! – waren einst die Topjobs des Ratspräsidenten und der Außenvertreterin geschaffen worden.

Doch die bisherigen Amtsinhaber, Van Rompuy und Ashton, haben die jüngste Eskalation verschlafen. Ob es ihre nun designierten Nachfolger, Tusk und Mogherini, besser machen? Auch da sind Zweifel erlaubt. Der konservative Pole und die sozialdemokratische Italienerin liegen außenpolitisch nicht auf einer Linie. Sie können sich nicht einmal sprachlich verständigen – Tusk spricht weder Englisch noch Französich.

Ob die beiden ein „Dreamteam“ bilden, wie manche jetzt schon behaupten, bleibt also abzuwarten. Genaueres dürften wir erst im Dezember wissen. So lange dauert es nämlich, bis die Neuen ihre Ämter antreten. In Gefahr und Not entscheidet sich die EU nicht nur für den Mittelweg – sie lässt sich auch verdammt viel Zeit.

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