Altrussland streitet für Neurussland

UKRAINE Russlands Präsident Putin will Verhandlungen über die Eigenstaatlichkeit der Ostukraine. Ukraines Präsident fürchtet einen richtigen Krieg gegen Russland. Die EU diskutiert über weitere Sanktionsmaßnahmen, kann sich aber nur schwer einigen

„Dies ist ein innenpolitischer ukrainischer Konflikt“

PUTIN-SPRECHER DMITRI PESKOW

TSCHELJABINSK/MARIUPOL dpa Russlands Präsident Wladimir Putin hat Verhandlungen zwischen der Regierung in Kiew und den Rebellen über den politischen Status der Ostukraine gefordert. Gespräche über „die politische Organisation der Gesellschaft und die Staatlichkeit der Südostukraine“ sollten sofort beginnen, um die „rechtmäßigen Interessen der Menschen, die dort leben, zu schützen“, zitierte die Agentur Itar-Tass Putin am Sonntag. Sein Sprecher Dmitri Peskow betonte anschließend in Tscheljabinsk, der Präsident habe nicht einen unabhängigen Staat gefordert. „Noworossija“ – also die von den Separatisten beanspruchte und als „Neurussland“ bezeichnete Region – solle „selbstverständlich“ Teil der Ukraine bleiben.

„Dies ist kein Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, dies ist ein innenpolitischer ukrainischer Konflikt“, fügte Peskow hinzu. Allerdings sagte Putin laut Itar-Tass in einem Fernsehinterview, sein Land könne nicht tatenlos zuschauen, wenn „aus fast nächster Nähe“ auf Menschen geschossen werde. Eine direkte Beteiligung Russlands an dem Konflikt räumte er aber nicht ein.

Westliche Staaten und die Regierung in Kiew haben Russland eine militärische Intervention im Osten der Ukraine vorgeworfen. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beauftragten deshalb die EU-Kommission auf einem Sondergipfel am Wochenende mit der Vorbereitung neuer Sanktionen gegen Russland und drohten damit, diese binnen einer Woche zu verhängen. Die US-Regierung begrüßte dies und erklärte, mit der EU die neuen Strafmaßnahmen abzusprechen.

Die Kommission soll auf weitere konkrete Schritte in den Bereichen abzielen, in denen bereits Strafen verhängt wurden. Dazu gehören der Finanzsektor, Technologie-Lieferungen für den Ölsektor und ein Verbot neuer Waffengeschäfte mit Russland. Zudem sollen Visa- und Kontosperren gegen Anführer der prorussischen Separatisten vorbereitet werden.

Allerdings taten sich Differenzen in den Reihen der 28 EU-Staats- und Regierungschefs auf. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann etwa sagte, Strafmaßnahmen seien kein Allheilmittel. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico nannte neue EU-Sanktionen überflüssig und kontraproduktiv. „Wenn es Vorschläge gibt, behalte ich mir das Veto-Recht gegen Sanktionen vor, die das nationale Interesse der Slowakei schädigen“, sagte Fico. Etliche Regierungen fürchten negative Auswirkungen durch Sanktionen und russische Gegensanktionen auf die bereits sehr schwache Konjunktur in ihren Ländern. Von der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaite geforderte Waffenlieferungen an die Ukraine stießen allgemein auf Ablehnung.

Die Separatisten haben in den vergangenen Tagen Boden gutgemacht und mehrere Ortschaften der Ostukraine erobert. Die Regierung in Kiew und der Westen führen dies auf eine direkte Beteiligung russischer Soldaten an der Seite der Rebellen zurück. Mittlerweile befänden sich Tausende ausländische Soldaten und Hunderte ausländische Panzer in seinem Land, sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko am Samstag. Er hoffe zwar auf eine politische Lösung, warnte aber zugleich, sein Land stehe am Rande eine umfassenden Krieges.

Meinung + Diskussion SEITE 12