„In Thüringen gibt es bald eine Versorgungslücke“

WAHL-INTERVIEW (FOLGE 6) Frank-Michael Pietsch will, dass Seniorenarbeit Pflicht für Kommunen wird

taz: Herr Dr. Pietzsch, gehen Sie wählen?

Frank-Michael Pietzsch: Ja, sicher.

Was erhoffen Sie sich von den Wahlen?

Ich weiß, dass wir nicht alle Wünsche erfüllt bekommen, aber ich hoffe, dass wir in einigen Bereichen Verbesserungen erreichen werden.

In welchen?

In der Pflege beispielsweise. Wir brauchen dringend mehr professionelle Pfleger und eine bessere Bezahlung. Und wir brauchen eine moralische Aufwertung der Pflegeberufe – das wiederum kann man nicht vom Finanziellen trennen.

Was meinen Sie konkret?

Wir bilden hier Leute aus und die wandern nach Hessen oder nach Bayern aus, weil sie dort besser bezahlt werden. Es ist absehbar, dass es in Thüringen bald eine Versorgungslücke gibt.

Das Thema Pflege ist also das Hauptproblem?

Es gibt vieles, was sich ändern sollte. Im ländlichen Raum muss vor allem altersgerechtes Wohnen stärker gefördert werden. Aber auch Begegnungsstätten für Ältere, die wir unterhalten, sollten besser abgesichert werden. Die Aufgaben der Seniorenarbeit müssen zu einer kommunalen Pflicht gemacht werden.

Was kann man außer finanziellen Hilfen tun?

Man müsste das Ehrenamt stärken. Es soll und kann kein Ersatz für ein Hauptamt sein. Aber wir brauchen das Ehrenamt für Aufgaben, die nicht durch professionelle Pflege abgedeckt werden. Ein Beispiel: Manche Senioren bestehen darauf, dass ihre Mitgliedsbeiträge von Menschen abgeholt werden. Die überweisen nicht die Beträge, sondern möchten, dass jemand vorbeikommt. In solchen Fällen wäre ein ehrenamtlicher Besuchsdienst sinnvoll. Für Menschen über achtzig Jahre, die kaum rauskommen, wäre es einfach schön, wenn jemand für ein, zwei Stunden vorbeischaut. Da wünsche ich mir Unterstützung von der künftigen Landesregierung.

Verraten Sie, wen Sie wählen?

Nein, das werde ich nicht tun.

INTERVIEW: JASMIN KALARICKAL

Dr. Frank-Michael Pietzsch, 72, ist Vorsitzender der Volkssolidarität in Thüringen. Sein Landesverband hat rund 33.056 Mitglieder.