Job weg oder krank

Wirte fordern ein „starkes“ Nichtrauchergesetz – oder gar keins. Ländereinigung fraglich

AUS BERLIN GEORG LÖWISCH

Am Donnerstag wird in Berlin nicht weniger als die Freiheit verteidigt. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz treten Jürgen Rüttgers (CDU, Nordrhein-Westfalen), Christian Wulff (CDU, Niedersachsen) und Wolfgang Böhmer (CDU, Sachsen-Anhalt) an, den Angriff der Rauchverbieter auf die Wirte abzuwehren. Brandenburgs Wirtschaftsminister verlangt von seinem Chef, er müsse unbedingt ein „Gängelband“ für Gäste verhindern, und aus Brüssel warnt der Präsident des Europaparlaments vor einer deutschen „Erziehungsdiktatur“. Passend dazu verleiht am Donnerstagabend die Zigarettenfirma Reemtsma den „Liberty“-Journalistenpreis.

Arno Frommhagen betreibt in Magdeburg ein Restaurant und zwei Cafés. Alles Raucher. Wenn Frommhagen, selbst seit 16 Jahren Nichtraucher, nachts mit der Arbeit fertig ist, riecht er nach Rauch und seine Augen sind gereizt. Er stellt sich erst mal unter die Dusche.

Arno Frommhagens Freiheit ist eine, auf die er gern verzichten würde. Er fürchtet um Kundschaft, wenn er seine Gasträume freiwillig qualmfrei macht. Deshalb kann er auch seinen Mitarbeitern nur die Freiheit zwischen Krankheitsrisiko und Jobverlust gewähren. „Wir haben 16 Auszubildende“, sagte der Wirt. „Die können sich dem Rauch nicht entziehen. Wenn einer Zigarre raucht, müssen sie da hin, ob sie wollen oder nicht.“

Was ein Qualmverbot für die Gesundheit von Kellnern bedeuten würde, lässt sich in einer irischen Studie nachlesen, die gestern das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg in ihrer deutschen Fassung veröffentlichte. Ein Forscherteam um den Lungenfacharzt Luke Clancy hat 73 Kellner von 42 Pubs befragt und untersucht – vor Inkrafttreten des Rauchverbots in Irland 2004 und ein Jahr danach. Das Ergebnis: Nichtrauchende Kellner bekommen mehr Luft.

Das Vorher-nachher-Prinzip verleiht der Studie eine besondere Glaubwürdigkeit. Meist wird der Zusammenhang zwischen Passivrauchen und Krankheiten nachgewiesen, indem beispielsweise Lungenkrebspatienten befragt werden, ob, wann und wie lange in ihrer Umgebung gequalmt wurde. Doch für diese Studie konnten sich Clancy und seine Kollegen die Pub-Mitarbeiter zuerst mit und dann ohne Rauchbelastung vornehmen.

Die Lungen der Nichtraucher unter den Kellnern konnten nach dem Rauchverbot wesentlich mehr Sauerstoff aufnehmen als vorher. Die Lungen der Raucher arbeiteten schlechter als im Jahr zuvor. Die Nichtraucher berichteten, der ständige Husten am Morgen sei weniger geworden, der Rachen weniger gereizt und die Augen seien nicht mehr so oft gerötet. Sogar rauchende Gastronomiemitarbeiter erklärten, mit Augen und Rachen gehe es besser. Ihr Husten blieb.

In Deutschland arbeiten eine Million Menschen in der Gastronomie. Das Deutsche Krebsforschungszentrum schätzt, dass darunter 7.000 nichtrauchende Schwangere sind. Sie müssen die Gesundheit ihres Kindes riskieren oder kündigen.

Um Kellnerinnen und Kellner zu schützen, fassten die Gesundheitsminister der Länder Ende Februar einen Beschluss: „Zwischen den Ländern besteht weiterhin Übereinstimmung, dass in Gaststätten und Diskotheken ein vollständiges Rauchverbot in geschlossenen Räumen – unabhängig von Größe und Betriebsart – zu verwirklichen ist.“ Nur in getrennten Nebenräumen solle Rauchen möglich sein. In einer Protokollnotiz meldeten Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen jedoch Sonderwünsche an. Der Niedersachse Wulff wirbt für seine „R-Regelung“: Wirte sollen ein R an ihre Tür kleben, dann darf weiter geraucht werden.

Zwischen der R-Regelung und dem Antiqualmbeschluss der Gesundheitsminister gibt es einige Zwischenlösungen. Das Saarland will kleine Raucherkneipen, Bayern in Bierzelten den Qualm erhalten. Andere halten es für möglich, zwischen Restaurants und Kneipen ohne Speisekarte zu unterscheiden.

Die Unterscheidung nach Gaststättentyp war auch das Ergebnis einer Arbeitsgruppe der großen Koalition im Bund. Sie hatten sich im Dezember geeinigt, doch schon nach wenigen Tagen scheiterte der Plan an Bedenken von Innen- und Justizministerium: Für das Gaststättenrecht seien die Länder zuständig, nicht der Bund.

Qualmgegner in der SPD waren schon damals verärgert. Nun drohen sie wieder, für ein bundesgesetzliches Rauchverbot eine Mehrheit im Bundestag zu sammeln – notfalls auch durch einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag. „Das Ergebnis darf keinesfalls ein von Land zu Land unterschiedlicher Nichtraucherschutz sein“, sagt der SPD-Politiker Lothar Binding. „Wenn es keine bundeseinheitliche Regelung gibt, werden wir im Bund aktiv.“ Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Carola Reimann, nennt Wulffs R-Regelung eine „Eulenspiegelei“. Sie sei zuversichtlich, dass die Länder eine Lösung für das gesamte Land erreichten. Wenn nicht, müsse „das Ganze wieder neu beginnen“.

Binding und Reimann hatten vor einem Jahr einen fraktionsübergreifenden Antrag geschrieben. Er verlangt ein komplettes Rauchverbot in der Gastronomie. 140 Bundestagsabgeordnete hatten ihn unterzeichnet, jetzt ruht er unter der Drucksachennummer 16/2730. Binding sagt: „Die Zuständigkeitsfragen sind nicht abschließend geklärt.“ Er halte ein Bundesgesetz über den Gesundheitsschutz oder auch den Arbeitsschutz für möglich.

Am Montag hat der Wirt Frommhagen mit 79 Magdeburger Kollegen eine Presseerklärung geschrieben, die die Regierungschefs auffordert, entweder gar nichts zu regeln oder das Rauchen in allen Gaststätten zu verbieten. Die Wirte könnten nur mit einem starken Gesetz dem Druck der Raucher standhalten, sagt Frommhagen, aber dann wäre ihm ein Verbot recht. Er würde hohe Energiekosten sparen, weil die Lüftung nicht dauernd den Qualm abpumpt.