Musikalischer Rausch

Am 9. März 2007 erschien „No More Wars“, das erste Album der Band Bodi Bill – der Albumtitel ein kindlich-naiver Wunsch nach einer besseren Welt, der Bandname albern, das Cover zusammengekleckst.

Vier Jahre später spielen Bodi Bill vier Abende hintereinander im Lido (25.–28. April), die Konzerte (alle an Werktagen) sind seit Wochen ausverkauft, ursprünglich geplant waren zwei Berlin-Shows. Das ist kein Marketingerfolg: Fans klebten Sticker und Plakate, dahinter steht kein Major, sondern das Karlshorster Postrock-Label Sinnbus.

2007 passten Bodi Bill eigentlich nicht so recht zu den anderen Sinnbus-Bands, die wie Kate Mosh Gitarrenwände aufbauten oder wie Torchous oder SDNMT cleane Gitarren kunstvoll arrangierten. Doch Bodi Bill gehörten zum Labelumfeld, Sänger Fabian Fenk hatte Sinnbus mit aufgebaut, und auch musikalisch passte „No More Wars“, das Fenk und Anton Feist noch als Duo eingespielt hatten, wenig später stieß Alex Amoon hinzu.

Eine kuriose Wahl war die erste Single: „Willem“ ist der letzte Track auf „No More Wars“, ein zurückgenommener Pianosong über vergangene Liebe mit dem ultimativen Indie-Nerd-Nachtreten als letzter Liedzeile: „You don’t like Sonic Youth?/Fuck off/Die, too“. Als am wenigsten elektronischer Song führt „Willem“ musikalisch auf eine falsche Spur. Später erklärten Bodi Bill in Interviews, sie würden einfach machen, was sie wollen. Das sagen viele, die dann doch wieder alte Muster nutzen. Bodi Bill nahmen genau diese Muster und arrangierten sie neu – in Songwriting, Aufbau und Instrumentalisierung. Trotz Electro ist die Stimme das wichtigste Instrument, die Texte bestehen nicht aus stupiden Parolen, Wiederholungen sind verpönt. Herkömmliche Songstrukturen im Stil Strophe–Refrain tauchen zwar auf, werden dann aber, wie beim vierten Track „Nothing“ nach der Hälfte des Songs, zurückgelassen zugunsten mitreißender Samplespektakel. Ähnlich eigen ist zum Beispiel in „Very Small“ und „Traffic Jam“ die Kombination von Instrumenten wie Piano, Gitarre und Geige mit elektronischen Sounds und Beats. Doch es funktioniert, harmoniert nicht nur, sondern wirkt organisch. „No More Wars“ berührt auf einzigartig grandiose Weise, ist mal melancholisch, dann mitreißend, und live geraten Bodi Bill in einen musikalischen Rausch, der sich unbedingt auf die ZuhörerInnen überträgt.

„No More Wars“ war nur der Anfang: „Next Time“ (2008) und „What?“ (2011) machen Bodi Bill zu Berlins spannendster Band. Samstag launchen sie zudem im Tape Club ihr Label Krakatau, mit eigenem DJ-Set und Live-Sets von Thomalla, Freedarich und Lake People. MALTE GÖBEL