ES SCHEINT AN DIESEM WOCHENENDE EINEN EIGENARTIGEN THEMENSCHWERPUNKT ZU GEBEN
: Was soll man machen, außer lachen

VON SASKIA HÖDL

Berlin ist anders“, sagt meine Freundin C., die übers Wochenende in der Stadt ist. Anders als Wien meint sie. „Hier wird man nicht ständig auf seine ‚Wurzeln‘ angesprochen“, sagt sie. Wir sitzen in einem Café gegenüber vom Görlitzer Park. C. wollte etwas essen, aber die Küche hat Pause, also bleiben wir für Getränke, Sonne und Wespen. „Mich nervt dieses ständige ‚wir‘ und ‚ihr‘ – ich bin dafür sowieso entweder zu weiß oder zu schwarz“, sage ich. „Aber dafür sind wir gleich mit allen verwandt, die uns im Entferntesten ähnlich sehen“, sagt C., kichert vor sich hin und vertreibt mit einer Handbewegung die Wespen. Eigentlich ist das nicht lustig. Mir passiert das zu oft, ihr auch. Wenn zwei hellhäutige Frauen mit glatten Haaren nebeneinanderstehen, geht man ja auch nicht davon aus, dass sie verwandt sind. Aber was soll man machen, außer lachen – zumindest solange man noch kann.

Später am Abend feiert eine taz-Kollegin ihren Abschied. Sie geht zurück nach Dortmund. Wir sitzen auf der Dachterrasse in der Abendsonne und unterhalten uns. Es geht um Zukunftsperspektiven, es werden Anekdoten erzählt, und irgendwie landen wir später in kleinem Kreis wieder beim Thema Migrationshintergrund. Wir können uns darauf einigen, dass die Frage danach schlicht intim ist. „Man fragt ja jemand Fremden auch nicht beiläufig, ob die Haarfarbe echt ist oder ob es Nazis in der Familie gab“, sage ich. Wir unterhalten uns noch eine Weile, dann trennen sich unsere Wege vor der Redaktion.

Samstagabend kommt meine Freundin S. bei mir zu Hause vorbei. Ich erwähne, dass ich meinen alten iPod gefunden habe, der mit meiner mehr oder weniger kompletten persönlichen Musikgeschichte gefüllt ist. Sie ist entzückt und möchte hören, was das Teil so hergibt. Ich zögere etwas, stimme aber zu. Wir sitzen in meiner Küche und unterhalten uns bei einer Flasche Wein über ihre Arbeit. Es läuft Skunk Anansie, Nikka Costa und Incubus. Bei Q-Tip merken wir, dass wir spät dran sind.

Auf der Straße winken wir ein Taxi heran, es geht ins Haus der Kulturen der Welt zu einem Konzert von Nozinja, einem DJ, der auf der Webseite als „afro-futuristischer Trendsetter“ angekündigt wird. Das kann alles heißen, aber ich weiß, dass es um Shangaan Electro geht – eine Mischung aus Electro und traditioneller Volksmusik. Das Konzert gehört zur Veranstaltungsreihe „20 Jahre Demokratie in Südafrika“. Im Taxi reden S. und ich über Nebensächliches, als sie mich plötzlich fragt : „Stört es dich eigentlich, wenn du nach deinen Wurzeln gefragt wirst?“ Es scheint an diesem Wochenende einen eigenartigen Themenschwerpunkt zu geben, denke ich, als sich der Taxifahrer einmischt: „Ist doch normal, dass man das fragt. Mich fragen meine Fahrgäste auch, woher ich komme. Ich bin Armenier“, sagt er auskunftsfreudig.

Im HKW angekommen, wird klar, dass wir uns umsonst beeilt haben. Eine junge Frau sorgt am DJ-Pult noch für Hintergrundmusik, das Publikum sitzt zum Teil im Garten, zum Teil an der Bar. Wir holen uns ein Glas Wein und sehen uns im Garten um. Der Rasen sieht aus, als wäre er mit dem Lineal getrimmt. Ich höre englische, deutsche und spanische Wortfetzen, es ist lau, Zigarettenqualm liegt in der Luft und der Bass tönt durch die Glastüren nach draußen.

Zwei Zigaretten später betritt Nozinja die Bühne. Er hat bunte Federn an seinen Oberarmen befestigt und begrüßt die Menge. Wir drängen etwas nach vorne, um mehr zu sehen. Vor seinem Pult steht ein Mann, er trägt eine silberglänzende Maske und einen orangefarbenen Overall, neben ihm eine Frau in bunten Klamotten. Die beiden singen und tanzen, dass man gar nicht ruhig stehen bleiben kann. Ich verschütte etwas Wein. Die Leute jubeln, als einige aus dem Publikum auf die Bühne geholt werden, um zu tanzen. Die Stimmung ist ausgelassen, und zumindest in diesem Moment scheint es kein „wir“ und „ihr“ mehr zu geben.