Verschenken statt vererben

ERBRECHT Bei der Eigentumsverteilung nach dem Tod wird noch immer strikt nach Verwandtschaft unterschieden. Eine Möglichkeit, dies zu umgehen, ist die Schenkung

Oft wird vergessen, dass es nicht mit einem Sack Geld für die Kinder getan ist

VON ANWEN ROBERTS

„Das Gut rinnt wie das Blut“: der altertümliche Sinnspruch gilt im Erbrecht noch immer. Liegt bei einem Todesfall in der Familie kein handschriftliches oder notariell beglaubigtes Testament oder eine „Verfügung von Todes wegen“ vor, wird streng nach Grad der Verwandtschaft unterschieden – unverheiratete Paare zum Beispiel gelten vor dem Gesetz nach wie vor nicht als verwandt.

Wer also für seine Patchworkfamilie vorsorgen will, muss sich etwas anderes einfallen lassen. Als eine Möglichkeit hat sich die Schenkung zu Lebzeiten etabliert. Der naheliegende Unterschied, dass das Eigentum beim Vererben bis zum Tod des Erblassers auch sein Eigentum bleibt, beim Verschenken aber auf den Beschenkten übergeht, heißt aber nicht, dass man mit einer Schenkung alle finanziellen Bande gekappt hätte.

Oft wird vergessen, dass es nicht mit einem Sack Geld für die Kinder getan ist. Vielmehr muss eine Schenkung genauso rechtlich abgesichert werden wie ein Testament. Sie ist keine profane Privatsache, sondern bedarf genau wie ein Testament eines gewissen formalen Niveaus. Somit sind Schenkungswillige genauso gut beraten, sich für die juristischen Details notarielle Unterstützung zu holen, wie bei Erbsachen auch.

Der größte Vorteil der Schenkung ist, dass sich die Erbschaftssteuer erledigt, die bei einem späteren Erbe sonst anfallen würde. Allerdings wird auch bei Schenkungen eine sogenannte „Schenkungssteuer“ fällig, deren Höhe sich wiederum nach dem Verwandtschaftsgrad richtet.

Durch geschicktes Schenken kann man dafür sorgen, dass der eigene Besitz möglichst gerecht zwischen den Nachkommen aufgeteilt wird – oder aber das Gegenteil bewirken, indem man die Erbmasse frühzeitig mindert und somit den späteren Pflichtteil unerwünschter Erben praktisch aushöhlt.

Zu welchem Zweck Eigentum zu Lebzeiten umgelagert wird, liegt anders als im Erbfall ganz im Ermessen des Schenkers. Komplett kann man unliebsame Erben aber mit einer vorzeitigen Bevorzugung der Lieblingsnachkommen auch durch eine Schenkung nicht aushebeln. Die gute alte Sitte, eigene unliebsame Nachkommen zu enterben, gibt es seit Einführung der Pflichtteil-Regelung, die eine Art „Mindest-Erbe“ für die Verwandtschaft vorschreibt, in dieser Form nicht mehr.

Wer heute „enterbt“ wird, erhält mit dem Pflichtteil zumindest noch die Hälfte dessen, was ihm eigentlich nach gesetzlicher Erbfolge zustünde. Bei drei leiblichen Kindern wäre das beispielsweise immerhin noch ein Sechstel der Erbmasse statt eines Drittels.

Bei einer Schenkung ist diese Form der Bestrafung für „groben Undank“ dagegen noch zulässig. Bei Scheidungen, Spielsucht oder Sektenmitgliedschaft, aber auch wenn der Schenker selbst unerwartet verarmt oder erkrankt, kann man (natürlich nur zu Lebzeiten) rechtlich durchsetzen, dass die Schenkung wieder entzogen wird – wiederum mithilfe eines Notars.

Wegen der Komplexität der Materie raten Anwälte und Notare weniger zu bestimmten Strategien, sondern dazu, sich über die Rechtslage genau zu informieren.