Arme Leute schlechter beraten

GAL kritisiert Hartz-IV-Behörde: „Jobcenter“ in ärmeren Quartieren wie Billstedt haben weniger Berater und schlechtere Vermittlungserfolge. Stadt soll allein die Verantwortung übernehmen

VON KAIJA KUTTER

Die GAL-Arbeitsmarktpolitikerin Gudrun Köncke legte gestern Zahlen vor, die die These von der sozialen Spaltung der Stadt bestätigen. Zwar sinkt hamburgweit die Arbeitslosenquote, dennoch steigt in benachteiligten Stadtteilen die Zahl der langzeitarbeitslosen Empfänger von Arbeitslosengeld II. Und schlimmer noch: Gerade in Quartieren, die es am nötigsten hätten, wie Billstedt, Wilhelmsburg und Lurup/Osdorf, stehen den Menschen in den „Jobcentern“ am wenigsten Vermittler und Fallmanager gegenüber, wie aus einer Großen Anfrage der GAL hervorgeht.

In Billstedt/Mümmelmannsberg zum Beispiel müssen sich laut GAL 732 erwerbsfähige Hilfeberechtigte einen Vermittler teilen. Hier stieg die Zahl der ALG-II-Empfänger von 2005 auf 2006 von 12.889 auf 15.072. Ähnlich ist die Tendenz in den Jobcentern Lurup/Osdorf und Süderelbe/Wilhelmsburg mit einem Anstieg der ALG-II-Empfänger von 15,5 beziehungsweise 19,2 Prozent. Auch ist das Verhältnis von Kunden zu Vermittlern mit eins zu 484 und eins zu 429 sehr schlecht, wenn man bedenkt, dass im Landesschnitt 348 Fälle auf einen Vermittler kommen.

Insgesamt gibt es 17 Jobcenter, in denen seit 2005 Mitarbeiter der Arbeitsagentur und der früheren Sozialämter unter dem Dach der damals neu geschaffenen Arbeitsgemeinschaft (Arge), auch „Teamarbeit Hamburg“ genannt, die Menschen betreuen. Gudrun Köncke hat zwischen diesen Centern eine Ungleichheit festgestellt. In neun der 17 Center, darunter denen in Eimsbüttel, Harburg und Altona, ging die Zahl der Fälle um bis zu 20 Prozent zurück. Dort ist die Beratung aber auch viel besser, im Durchschnitt müssen sich nur 303 Menschen einen Vermittler teilen. In den übrigen acht Jobcentern wie Billstedt und Lurup, in denen die Zahl der ALG-II-Empfänger stieg, kommen im Durchschnitt 392 Menschen auf einen Vermittler. Eine Erklärung für diese Schieflage ist, dass die Mitarbeiter bei der Gründung der Jobcenter den Standort selber wählen durften.

Köncke verweist darauf, dass 190 Stellen bei der Arge vakant seien und fordert, diese Stellen sofort zu besetzen. Da es in Hamburg auf dem Arbeitsmarkt über 17.000 freie Jobs gebe, wäre die Arge-Bilanz bei „intensiver Vermittlung“ gewiss zu verbessern. Vor allem, wenn mehr auf Qualifizierung gesetzt werde.

Doch auch hier sieht es mau aus. Laut Köncke ließ die Arge im Jahr 2006 42 Millionen Euro für Fördermaßnahmen verfallen. Von den ausgegebenen 125 Millionen Euro gingen 75 Millionen Euro in Ein-Euro-Jobs und nur 10,5 Millionen Euro in die berufliche Weiterbildung.

Für die GAL-Politikerin hat sich das Konstrukt der Arge, die Zusammenarbeit von Stadt und Bundesagentur, „nicht bewährt“. Besser sei es, wenn die Verantwortung für die ALG-II-Bezieher komplett in der Hand der Stadt liege, und Hamburg auch die entsprechenden Gelder allein verwalte, wie es einige Kommunen bereits tun.

Berhard Günther, der stellvertretende Geschäftsführer von Teamarbeit Hamburg, weist dies zurück. „Die Einschätzung, dass sich das Konstrukt der Arge nicht bewährt hat, kann ich gar nicht teilen“, sagt er zur taz. 2006 seien fast 23.000 Menschen in Arbeit integriert worden, „das lässt erkennen, dass hier wirklich viel geleistet wird“. Die Arge befände sich noch im Aufbau. Bei über 1.750 Mitarbeitern und einer „gewissen natürlichen Fluktuation“ sei nicht zu vermeiden, dass „sehr viele Stellen nicht besetzt sind“.

Günther rechnet diese Stellen sowie die derjenigen, die noch eingearbeitet werden und in den Eingangsbereichen arbeiten, hinzu und kommt auf eine Relation von 208 erwerbsfähigen Hilfeempfängern auf einen Vermittler. Dass einzelne Jobcenter wie in Billstedt sehr viel schlechter ausgestattet seien, könne er nicht bestätigen. „Sollten wir so etwas feststellen“, sagt er, „werden wir reagieren.“