Berlins Pate auf freiem Fuß

Im Schlüsselprozess um den Berliner Bankenskandal verurteilt das Gericht Klaus-Rüdiger Landowsky zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Richter sieht „gravierende Pflichtverstöße“ bei den 13 Bankmanagern

Ex-Strippenzieher Landowsky sieht sich als Ehrenmann – nach wie vor

aus Berlin ULRICH SCHULTE

Der Pate muss doch nicht hinter Gitter. Das Berliner Landgericht hat gestern Klaus-Rüdiger Landowsky zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Der frühere CDU-Fraktionschef und Bankmanager sei schuldig der Untreue, so der Richter. Mit dem Urteil endete einer der größten Wirtschaftsprozesse in der deutschen Nachkriegszeit. Mit Landowsky waren zwölf ehemalige Manager und Aufsichtsräte der Berlin Hyp, einer Tochtergesellschaft der Bankgesellschaft Berlin, angeklagt – die Urteile für sie gab das Gericht erst nach Redaktionsschluss bekannt.

Landowsky war eine zentrale Figur des Berliner Bankenskandals. In dem Prozess ging es um die Vergabe von Krediten an die Immobilienfirma Aubis Mitte der 90er-Jahre. Die Berlin Hyp hatte Darlehen von über 235 Millionen Euro an sie bewilligt, obwohl hohe Risiken dagegen sprachen. Mit dem Geld kaufte die Aubis in großem Stil Plattenbauten in Ostdeutschland. Die Kreditvergabe sei eine „unverantwortliche Entscheidung“ gewesen, begründete der Richter. Der Vorstand der Berlin Hyp habe sich „gravierende Pflichtverstöße“ geleistet. „Keiner der Beteiligten konnte glauben, dass das Rechenwerk tragfähig ist.“

Der eineinhalb Jahre dauernde Prozess ist ein Schritt bei der Aufklärung des Berliner Bankenskandals, an dem im Jahr 2001 die große Koalition in der Hauptstadt zerbrach. Die Bankgesellschaft war in den 90ern in der Aufbruchstimmung nach der Wende als landeseigenes Institut gegründet worden. Durch risikoreiche Immobiliengeschäfte und unrentable Fonds geriet die Bank in eine beträchtliche Schieflage. Der Skandal kam 2001 ans Licht: Landowsky gab zu, von zwei Aubis-Managern eine Parteispende in Höhe von 40.000 Mark entgegengenommen zu haben. Sie wurde nicht im Rechenschaftsbericht der CDU verbucht. Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss stellte sich später heraus, dass kurz zuvor der im Prozess verhandelte Aubis-Kredit gewährt worden war.

Vor dem Landgericht Berlin, wo der Prozess im großen Saal stattgefunden hatte, protestierte am Mittag die Initiative Bankenskandal. Ihr Initiator Peter Grottian, der als Politologe an der Freien Universität lehrt und forscht, hat jahrelang den außerparlamentarischen Protest gegen den Bankenskandal organisiert. „Letztendlich ist das ein Freispruch, den man bloß nicht so nennen wollte.“ Das Urteil zeige, dass das „Tollhaus von Verfehlungen dieser Manager und Politiker wirklich groß ist – aber die rechtlichen Sanktionsmöglichkeiten sich in engen Grenzen bewegen“. Die Staatsanwaltschaft hatte für Landowsky drei Jahre Haft gefordert. Er kündigte bereits an, Revision einzulegen. Während des Prozesses hatte er der Staatsanwaltschaft immer wieder „politische Motive“ unterstellt.

Die Folgen für das hochverschuldete Land Berlin aus dem Bankenskandal sind beträchtlich. Die Senatsverwaltung schätzt die Kosten, die der Hauptstadt durch die Affäre insgesamt entstehen, auf bis zu neun Milliarden Euro. Bisher habe man 2,2 Milliarden Euro aus dem Haushalt in die Landesbank geschossen, so ein Sprecher gestern. Allein dafür ergibt sich eine jährliche Zinsbelastung von rund 80 Millionen Euro im Jahr. Zum Vergleich: Berlin gibt nur halb so viel jährlich für die Sanierung maroder Schulen und Sportstätten aus.

Auch der Verkauf der Berliner Sparkasse ist eine Folge des Bankenskandals. Erstmals in der Geschichte könnte eine Privatbank ein solch öffentlich-rechtliches Geldinstitut erwerben, derzeit läuft das Bieterverfahren. Die EU hatte die Privatisierung zur Auflage gemacht, nachdem das Land eine milliardenschwere Risikoabsicherung für die gefährdete Bank beschlossen hatte. Schon im Herbst will die rot-rote Landesregierung den heftig umstrittenen Verkauf über die Bühne bringen. Das Wirken von Landowsky und Co. wird die Hauptstadt also noch lange beschäftigen. Er selbst sieht sich übrigens als Ehrenmann – er kämpfe um seine Ehre, hatte er in seinem Schlusswort betont.