Reden mit Iraks Aufständischen

Die irakische Regierung verhandelt seit drei Monaten mit Vertretern militanter Gruppen

KAIRO taz ■ Nachdem immer deutlicher wird, dass im Irak keine Lösung mit Waffengewalt erzwungen werden kann, schlägt nun offensichtlich die Stunde der Gespräche. Nicht nur Washington hat begonnen, mit den „Schurkenstaaten“ Iran und Syrien über die Irakkrise zu verhandeln, auch die irakische Regierung versucht mit der Guerilla ins Gespräch zu kommen.

Man stehe seit drei Monaten in Verbindung mit den Aufständischen innerhalb und außerhalb des Irak, gab Saad Yousif al-Muttalib vom Ministerium für Nationalen Dialog und Versöhnung jetzt zu. Zwar will er nichts über die genaue Identität seiner Gesprächspartner offen legen, ausgeschlossen von den Gesprächen sollen aber Al-Qaida-nahe Gruppen sein. Eine Guerillagruppe soll kurz davor stehen, ihre Waffen niederzulegen. Knackpunkt ist aber stets die Forderung der Aufständischen nach einem Zeitplan für den Abzug der ausländischen Truppen.

Eine der Schlüsselfiguren für den Kontakt zu den Aufständischen, die sich meist aus Sunniten rekrutieren, ist der sunnitische Vizepräsident Tarik al-Haschemi. Auch er ging diese Woche an die Öffentlichkeit und erklärte in einem Interview mit der britischen BBC seinen Willen zu Verhandlungen. „Es gibt keinen anderen Ausweg, als mit allen Seiten zu sprechen“, sagt er, mit Ausnahme al-Qaida, die ohnehin mit niemandem sprechen wolle. „Alle Seiten sollten sich an einen Tisch setzen und ihre Ängste und Vorbehalte diskutieren“, forderte al-Haschemi.

Der irakische Vizepräsident war letzten Monat nach Damaskus gereist und hatte sich dort auch mit ehemaligen Offizieren der früheren irakischen Armee getroffen, in der Hoffnung, diese in einen Versöhnungsprozess einzubeziehen. Al-Haschemi hat persönlich Erfahrungen mit der Gewalt der Aufständischen gemacht. Letztes Jahr wurden seine Schwester und zwei seiner Brüder ermordet.

Erst vor zwei Wochen hatte auch der neue US-Oberkommandierende im Irak, General David Petraeus, zugegeben, dass militärische Stärke alleine nicht ausreiche. Entscheidend, sagte Petraeus, sei es auch, mit den militanten Gruppen ins Gespräch zu kommen.

In den letzten drei Jahren gab es immer wieder Berichte von Versuchen der US-Armee und der irakischen Regierung, mit den Aufständischen Kontakt aufzunehmen. Details wurden dabei allerdings nie bekannt und oft meldeten sich aufständische Gruppen dann per Internet und stritten jegliche Beteiligung an solchen Gesprächen ab.

Trotz oder gerade wegen ihrer möglichen Gesprächsbereitschaft tritt die Guerilla immer selbstbewusster auf. Am Mittwoch stürmten hunderte von Aufständischen ein Gefängnis in der Provinz Diyala und lieferten sich das bisher tödlichste Feuergefecht mit den irakischen Sicherheitskräften in diesem Jahr, bei dem 20 Polizisten und zehn Aufständische getötet wurden. Mehr als 30 Gefangene wurden befreit. Als die Verstärkung irakischer und amerikanischer Truppen schließlich ankam, war die Guerilla bereits abgetaucht.

Auch dem radikalen Schiitenführer Muktada al-Sadr scheint die Regierung in Bagdad die Hand reichen zu wollen. Auf Geheiß des Premierministers Nuri al-Maliki ließ die US-Armee jetzt den Sadr-Milizenführer Ahmad Schibani frei, der 2004 bei militärischen Auseinandersetzungen festgenommen worden war. „Schibani könnte eine entscheidende Rolle spielen, den Extremismus zu mäßigen und eine Versöhnung zu beschleunigen“, heißt es in einer Erklärung der US-Armee. KARIM EL-GAWHARY