Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Trainieren, trainieren, trainieren. Denn der innere Schweinehund will besiegt werden. Jedenfalls in der Dokumentation „Wechselzeiten – Auf dem Weg zum ersten Triathlon“, in der Regisseur Guido Weihenmüller am Beispiel von vier Frauen der Frage nachgeht, was einen Menschen dazu bringt, sich einer eher ungewöhnlichen sportlichen Herausforderung zu stellen. Denn die Damen im Alter zwischen 30 und 53 Jahren wollen erstmals am Hamburg-Triathlon teilnehmen, und so wird in der Vorbereitungszeit manche Selbstüberschätzung geradegerückt, aber auch so mancher Selbstzweifel ausgeräumt. Ums Gewinnen geht es aber natürlich sowieso nicht. Schaffen werden es schließlich alle – auch die 30-jährige Sarah, die einst in der thailändischen Tsunami-Katastrophe beinahe ertrunken wäre und sich deshalb vor offenem Wasser und vielen drängelnden Menschen fürchtet. (5.–7. 9., Babylon Mitte)

Rennen müssen auch die Protagonisten von Stanley Kubricks Horrorfilm „The Shining“ (1980). Jedenfalls Frau und Sohn des Schriftstellers Jack (Jack Nicholson), der in einem abgelegenen Hotelkomplex für einen Winter als Hausmeister beschäftigt ist und unter mysteriösen Einflüssen den Verstand zu verlieren scheint. Alsbald beginnt er, Frau und Kind zu terrorisieren, und es kommt zu albtraumhaften Verfolgungsjagden in einem Heckenlabyrinth. Dabei zeigt sich: Man entwickelt ungeahnte Kondition, wenn ein Irrer mit der Axt hinter einem her ist. Den noch deutlich plakativeren Horror der Romanvorlage von Stephen King hat Regisseur Kubrick allerdings weitgehend in einen subtilen Psychoschrecken abgewandelt: eine Studie seelischen Verfalls und verlorener Rationalität. (OmU, 4. 9., Freiluftkino Rehberge)

Ein Experiment, das auch beim Kinopublikum Erfolg hat: Wie in einer Langzeitdokumentation folgt Regisseur Richard Linklater in seinem Spielfilm „Boyhood“ dem Aufwachsen des Jungen Mason (Ellar Coltrane) vom Schulalter bis zu seinem Eintritt ins College. Dafür hat Linklater in der Zeit von 2002 bis 2013 mit real alternden Schauspielern gedreht und das Risiko in Kauf genommen, dass die Kinder sich im Teenageralter ja auch als lustlose Nichtschauspieler hätten erweisen können. Doch Ellar Coltrane ist eine echte Entdeckung in dieser undramatisch und elliptisch dahinfließenden Erzählung über den Alltag einer Patchworkfamilie, die fast alles über die Schwierigkeiten aussagt, erwachsen zu werden, und dabei genauestens die soziokulturellen Entwicklungen der letzten zehn Jahre registriert. (4.–10. 9., Hackesche Höfe 3, Neue Kant Kinos 4, Rollberg 3; 4. 9., Sputnik 1; 5. 9., Freiluftkino Friedrichshain; 6. 9., Freiluftkino Rehberge; 7. 9., Filmtheater am Friedrichshain; 8. 9., Sputnik 2)