Underground und D.I.Y.

FESTIVAL Die Berlin Music Week bietet in ihrem Off-Programm eine große Auswahl an Konzerten von Bands aus der Stadt. Ein weiterer Vorteil: Es gibt fernab der großen Bühnen meistens auch mehr Luft zum Atmen

Dreimal Off-Berlin Music Week:

■ Pop-Up Späti, 4.–6. 9., jeweils 12–22 Uhr, Urban Spree, Revaler Str. 99, Programm + mehr Info: urbanspree.com/blog/event/pop-up-spaeti

■ Berlin Current, 5. 9., 21–6 Uhr, Urban Spree, Revaler Str. 99, 15 Euro, Programm + mehr Info: www.ctm-festival.de/projects/berlin-current/events

■ Our/Berlin Music Week, 3.–5. 9., jeweils 14–22 Uhr, Oberhafenkantine, Am Flutgraben 2, Eintritt frei. Programm + mehr Info: www.berlin-music-week.de/de/festival/events/first-we-take-berlin

VON JENS UTHOFF

Wenn es überall gedrängelt voll ist, sich an vielen Orten ballt, dann geht man vielleicht mal an die Ränder. Schaut, was so los ist. Lässt sich treiben. Guckt und hört neugierig, was dort geschieht, wo sich nicht die großen Massen sammeln. Bei der Berlin Music Week, die bereits am gestrigen Mittwoch begann, empfiehlt es sich in diesem Jahr besonders, den Blick mal jenseits der großen Bühnen – also der des Berlin Festivals und der großen Clubs des „First We Take Berlin“-Festivals – schweifen zu lassen. Angesichts der schieren Menge an Veranstaltungen entgeht man so auch dem Gefühl der Überfrachtung oder Überforderung.

Man könnte etwa dem Pop-Up Späti einen Antrittsbesuch abstatten, den Amande Dagod und Barry Cliffe im Urban Spree aufpoppen lassen. Die beiden französisch- und irischstämmigen Betreiber des Berliner „Späti Palace“-Labels, das vor allem Schrammel-Underground-Bands von der Spree veröffentlicht, lassen dort drei Tage lang einen gemütlichen D.I.Y.-Laden entstehen, in dem man Schallplatten oder CDs von diversen kleinen Labels in den Einkaufswagen legen kann – und sich gleichzeitig von Späti-Acts beschallen lassen kann.

So werden etwa die wunderbaren Skiing (Freitag, 18 Uhr) ihren etwas bedröppelten und dann doch sehr süßen Gitarren-Slacker-Sound auf die Bühne bringen, während Mother Of The Unicorn (Samstag, 19 Uhr) träumerisch, manchmal an The Sea and Cake oder Radiohead erinnernd, spannende Soundlandschaften entwerfen. Die Band und das Label werden gleichzeitig den Release einer gemeinsam mit Slow Steve (die treten zuvor, um 18 Uhr, auf) bespielten Vinyl-Single feiern.

Mit dem Pop-Up Späti geht es Dagod und Cliffe darum, einige Indie-Akteure der Stadt zusammenzubringen – so sind auch die Veranstalter von Eine Welt aus Hack, das Label Morr Music und der Friedrichshainer Plattenladen Bis aufs Messer am Spätkauf im Urban Spree beteiligt – und Gramofon FM wird eine temporäre Radiostation einrichten.

„Wir sind ein sehr kleines und recht junges Label, so haben wir alle ähnlich denkenden und orientierten Labels, Konzert- oder Radiomacher um uns herumgeschart, um das auf die Beine zu stellen“, sagt Dagod, die vor etwa einem Jahr mit Cliffe ihr Label gründete. „Unseres Erachtens war ein bestimmter Teil der Berliner Musikszene bei der Berlin Music Week nicht vertreten, das wollen wir ändern. Derzeit sind wir zwar ein Off- oder Randevent der Music Week, aber das muss nicht unbedingt so bleiben“, sagt die 25-Jährige.

In direkter Nachbarschaft zum Späti, auch im Urban Spree, präsentiert sich von Freitagabend bis Samstagfrüh mit dem Berlin Current eine Reihe des CTM Festivals, die sich der Avantgarde der elektronischen und experimentellen Musik widmet. Dort legt am Abend zum Beispiel Sarah Farina auf, deren fricklige Jungle-Breakbeat-Melange Lust auf körperliche Bewegung macht. Von den etwas verspielteren Klängen ihrer australischen Kollegin Phoebe Kiddo lässt sich Ähnliches sagen – sie spielt den Sound, mit dem man sich zeitweise gerne mit Fischen durch ein Aquarium treiben lassen würde, um dann vielleicht danach in einem Flipperautomaten hin- und herzuploppen.

Und dann sind da noch die Skandinavier, die irgendwie an die BMW angekoppelt sind, aber irgendwie auch ihr eigenes Ding machen. „Our/Berlin Music Week“ heißt die im Rahmen des „First We Take Berlin“-Festivals stattfindende Reihe, bei der vom gestrigen Mittwoch bis zum Freitag insgesamt 15 Bands aus den fünf (im weitesten Sinne) skandinavischen Ländern auftreten.

Nordic By Nature ist eine in Neukölln ansässige Musikagentur, die für Veranstaltungen und Verbreitung skandinavischer Musik in Berlin und Deutschland verantwortlich zeichnet. Mit dem schwedischen Noisepop-Trio DNKL (heute, 20 Uhr), das, dem Namen entsprechend, düstere, wavige Musik spielt oder auch der in Berlin lebenden Mellow-Pop-Interpretin Adna (Freitag, 17 Uhr) haben sie dabei Interpreten im Programm, die zwar nicht die ganz großen Namen sind, aber durchaus allesamt dazu werden könnten.

Dies gilt auch für die Norwegerin Sandra Kolstad (Freitag, 20 Uhr), bei der Dream-Pop, Björk-Sound und irgendwas Eurythmicshaftes zusammenkommen und die ebenfalls bei der in Kollaboration mit einem hiesigen Wodka-Destillateur präsentierten Sause in der Oberhafenkantine spielt. Und nach einem Absacker bei den Skandinaviern kann man ja immer noch mal rüber zum Späti – gucken, was da so los ist.