Lebensstandard in Gefahr

Zu den elementaren Risiken, gegen die sich eine Versicherung am ehesten empfiehlt, gehört die Berufsunfähigkeit. Da sind sich Versicherer und Verbraucherschützer einig. Wer vorsorgen möchte, sollte auf Fußangeln in den Verträgen achten

VON GERNOT KNÖDLER

Mit der Ebbe in der staatlichen Rentenkasse droht nicht nur Altersarmut. Auch wer in den besten Jahren ist, aber seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, muss damit rechnen, auf Sozialhilfeniveau abzustürzen. Es sei denn, er sorgt privat vor – und das tun die wenigsten. Dabei rechnen Verbraucherschützer eine Versicherung gegen Berufsunfähigkeit zu den wenigen sinnvollen Policen. „Die existenzbedrohenden Risiken müssen zuerst abgesichert werden“, sagt Edda Castello von der Verbraucherzentrale. Beim Abschluss gilt es zwar einige Fußangeln zu umgehen. Die Konditionen sind zurzeit aber besonders günstig.

Zum Problem ist der Schutz gegen Berufsunfähigkeit geworden, weil die Rentenkasse hier spart. Sie zahlt nur noch eine einheitliche Erwerbsminderungsrente in Höhe von maximal 38 Prozent des letzten Bruttoeinkommens. Die volle Summe erhält allerdings nur, wer weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten kann. Wer bis zu sechs Stunden schafft, kriegt nur die Hälfte.

Für diejenigen, die ab dem 1. Januar 1961 geboren sind, kommen dabei alle Tätigkeiten in Frage – ganz gleich, womit und auf welchem Niveau sie vorher ihren Lebensunterhalt bestritten. Nur den älteren Jahrgängen wird nicht zugemutet, einen Job, der nichts mit ihrer Ausbildung oder ihrer bisherigen Tätigkeit zu tun hat, anzunehmen. Die Rentenversicherung schützt also die ab 1961 Geborenen auch gegen Erwerbsunfähigkeit, die Älteren darüber hinaus gegen Berufsunfähigkeit. Sie bezahlt aber so wenig, dass sich der Lebensstandard damit nicht halten lässt.

Die Gefahr, berufs- oder erwerbsunfähig zu werden, ist erstaunlich groß. Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung bezogen im vergangenen Jahr 17 Prozent der neu hinzugekommenen Rentner eine Erwerbsminderungsrente. Vor zehn Jahren waren es 27 Prozent. Auch die Gründe der Erwerbsunfähigkeit haben sich geändert. Nach der neuesten Statistik der Rentenversicherung von 2004 wurden 32 Prozent aus psychischen Gründen erwerbsunfähig, 18 Prozent aufgrund von Erkrankungen des Skeletts, der Muskeln und des Bindegewebes, 14 Prozent hatten Geschwüre.

Trotz des Risikos sind die wenigsten versichert. Bei einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2004 gab nur jeder Vierte an, er sei gegen Berufsunfähigkeit versichert. Ein solcher Schutz ist zum einen nicht ganz billig, zum andern kompliziert und er wird nicht immer gewährt.

Für 1.000 Euro Rente müsse ein 30-jähriger kaufmännischer Angestellter etwa 30 bis 35 Euro Beiträge pro Monat bezahlen, schätzt Jörn Ottens vom Fairsicherungsladen in Eppendorf. Die Stiftung Warentest hat auch Angebote für 138 Euro gefunden.

Die verschiedenen Angebote unterscheiden sich nicht nur im Preis stark, sondern auch in den Konditionen. Auf keinen Fall darf der Vertrag eine „abstrakte Verweisung“ enthalten. Da sind sich alle einig. Das Versicherungsunternehmen könnte sich sonst weigern zu bezahlen, wenn der Versicherte theoretisch noch in einem anderen Beruf arbeiten könnte. Mit dieser Versicherung wäre nicht viel gewonnen.

Ebenfalls Vorsicht geboten ist vor einer „Arztanordnungsklausel“, sagt Ottens. Sie zwingt den Versicherten, den Schaden für die Versicherung zu mindern, indem er sich Diäten, Therapien und Operationen unterzieht.

Fragen nach der Gesundheit des zu Versichernden seien oft hinterhältig formuliert, kritisierte der Ombudsmann Wolfgang Römer, der als Vermittler zwischen der Versicherungswirtschaft und den Versicherten agiert, im vergangenen Jahr. „Hatten Sie in den vergangenen fünf Jahren eine Krebserkrankung, einen Herzstillstand oder sonst irgendeine gesundheitliche Beeinträchtigung?“ Wer das liest, kommt leicht auf den Gedanken, nur schwere Krankheiten angeben zu müssen, was aber täuscht. Die Stiftung Warentest rät daher, alle Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß zu beantworten und zur Not beim eigenen Arzt nachzufragen. Anderenfalls könnte es sein, dass der Versicherer später nicht zahlt.

Trotz allem ist der jetzige Zeitpunkt günstig, um einen Vertrag abzuschließen. Die Konditionen, die den Kunden angeboten würden, seien im Wettbewerb der vergangenen Jahre immer besser geworden, sagt Ottens. „So gut werden die Bedingungen nie wieder sein.“