Debakel in München

TITELRENNEN Bayer Leverkusen zeigt einmal mehr, dass das Erbgut des Zweiten fest verankert ist. In München unterliegen Ballack und Co. mit 1:5 gegen ein wie von allen Zwängen befreites Bayern-Team

„Das war für mich schon überraschend, zur Halbzeit mit 4:0 vorne zu liegen“

ANDRIES JONKER

MÜNCHEN taz | Jupp Heynckes wird es mit einem lachenden und einem weinenden Auge gesehen haben, Louis van Gaal wohl eher mit zwei heulenden: Das nie gefährdete 5:1 des FC Bayern über Bayer Leverkusen beendete jegliche Titelträume der Rheinländer und ließ den Van-Gaal-Nachfolger Andries Jonker entspannt Richtung Champions League blicken.

Die erste Entscheidung war schon vor dem Anpfiff gefallen: ein handgestopptes Unentschieden. Die Partie lautete: Bayern-Fans pro Uli gegen Bayern-Fans contra Uli, und hatte die Gemüter erhitzt, seit der harte Kern der Südkurven-Fans beim letzten Heimspiel den eigenen Präsidenten mit einer Plakataktion massiv beleidigt hatte („Hoeneß, du Lügner!“). Ein Mit-Initiator der Lichterkette gegen Ausländerhass hatte nun via Facebook zu einer Gegenaktion aufgerufen und rote Mia-san-Uli-T-Shirts verteilen lassen, die jedoch aus der Menge der 69.000 Zuschauer kaum hervorstachen. Während die Pro-Fraktion vor dem Anpfiff mit Fläche punktete und gewaltige Plakate mit der Aufschrift „Mia san Uli – Gegengerade für Uli Hoeneß“ entrollte, kamen die Antipräsidentialen diesmal pfiffiger daher. Auf einem kleinen, aber feinen Spruchband stand da „Mia san mia? Lies King Lear!“ Da schau her, die Südkurve kommt mit Shakespeare! Spielt auf den an Herrschsucht und Eitelkeit zugrunde gehenden König Lear an. Und via Spruchband noch eine rhetorische Frage hinterher: „Was ist falsch, wenn Leute mitreden, für die der Verein Teil ihres Lebens ist?“

Zurück zum Sport. Da waren die Verhältnisse wesentlicher klarer. Der noch mit Titelchancen angereiste Tabellenzweite kuschte rätselhafterweise vor den kriselnden Bayern, dass sich so mancher im Stadion wunderte. In den letzten 20 Gastspielen konnte Bayer in München nicht gewinnen (15 Niederlagen, 5 Remis), nie konnte Heynckes gegen Bayern in München gewinnen – und genauso trat Leverkusen auf: ohne Biss, ohne einen einzigen Torschuss in Halbzeit eins.

Aber mit Schützenhilfe für Bayern: Der Ribery-Eckball in Minute sieben landete auf dem Kopf von Bastian Schweinsteiger, von dort aus an der Wange von Simon Rolfes und trudelte weiter ins Tor. Auch beim 2:0 von Mario Gomez in der 28. Minute half Bayer mit: Thomas Müller, der Fuchs, hatte geschickt auf Arturo Vidals Fehler an der Grundlinie gewartet und schlau auf Gomez gepasst. Seine beiden nächsten Treffer zum so genannten lupenreinen Hattrick schaffte der Torjäger innerhalb der 45. Minute, einmal von Müller, einmal von Schweinsteiger bedient. 4:0 zur Halbzeit: was für ein Einstand für den Van-Gaal-Nachfolger Andries Jonker. Leider verhinderte die allzu deutliche Führung eine ähnlich rasante Fortsetzung des fröhlichen Kicks in der zweiten Hälfte. Nach einem missratenen Schweinsteiger-Kopfball kam Eren Derdiyok in der 62. Minute zum Anschlusstreffer, was Frank Ribery aber 12 Minuten später mit dem 5:1 konterte. Und dann sang auch noch fast das ganze Stadion „Uli Hoeneß, du bist der beste Mann“. So viel Eintracht und gute Laune war lange nicht mehr.THOMAS BECKER