Sternviertelstunde

In jeder Hinsicht zukunftsweisend: Mit dem Weltall-Trash-Spaß „Ijon Tichy: Raumpilot“ setzt sich das ZDF neue Maßstäbe in der Abendunterhaltung

VON JENNI ZYLKA

„Bin ich Ijon Tichy, Raumpilot! Bin ich dein Chef!“ sagt Ijon Tichy entrüstet und im zuckersüßen Polenakzent zu seiner neuen holografischen Kollegin, der „Halluzinelle“. Und überträgt ihr als Erstes die Aufgabe, während seines Schlafes (im mit Mond-und-Sternenmuster bedruckten Bettzeug) auf eventuelle, den Raumschiffweg kreuzende Störfaktoren zu achten. Davon gibt es im handmade Universum der neuen Serie nach Stanislaw Lems „Sterntagebüchern“ eine Menge: Steine, Schwämme, Küchenhelfer fliegen im All herum, Tichys Raumschiff selbst ist ein riesiger Milchschaumschläger, im Cockpit und Maschinenraum scheppern umfunktionierte Haushaltsgeräte wie Waschmaschine und Herd, und überhaupt erinnert die klapprige Rakete schwer an eine Berliner Altbauwohnung, die mit ein paar Leuchtdioden aufgepeppt wurde.

Ärger mit Weltraummüll

So charmant und mit so viel Mut zum Trash hat sich das ZDF in Sachen Abendunterhaltung noch nie aus dem Fenster gelehnt. Von der wunderschönen Schweineorgel-Begleitmusik bis zum 60er-Space-Outfit der analogen Halluzinelle Nora Tschirner ist die sehr freie Lem-Adaption liebevoll und handfest zugleich. Oliver Jahn als Tichy schafft es tatsächlich, während aller Folgen fast durchgehend die Augenbrauen zusammenzuziehen, um den skeptischen Osteuropäer glaubhaft zu machen, Nora Tschirner als cleverer Sidekick von „Chef Tichy“ ist ein um Klassen reizenderes Hologramm als der Doktor auf der Next-Generation-Enterprise, und Lems Geschichten bilden einen bizarren, futuristisch-philosophischen Hintergrund für die erwachsene Spielfreude. Etwa wenn Tichy sich plötzlich verschiedenen Ausgaben seiner selbst gegenüber sieht, weil das Raum-Zeit-Kontinuum gestört ist – das klassische Science-Fiction-Zeitreisen-Absurdum als unterhaltsamer Kicherstoff. Oder wenn der Pilot seinen Weltraummüll ganz verboten auf einem anderen Planeten deponiert, und darum Ärger bekommt.

Dass die Ideen des polnischen Autors von Randa Chahoud, Dennis Jacobsen und auch Hauptdarsteller Oliver Jahn ausgerechnet in einer so tatterigen Sonderangebotsraketenumgebung umgesetzt werden, und nicht in der üblich-eleganten Science-Fiction-Welt von „Solaris“, passt zudem zum Bild des zwar funktionstüchtigen, aber irgendwie robusteren osteuropäischen Kosmonautentraums.

Archaische Blechbüchse

Die „Mir“, jene sympathische russische Raumstation, die bis 2001 im All herumdümpelte, war ebenfalls eine gruselig archaische Blechbüchse, was man bei einem Besuch in einem „Mir“-Trainingsmodul in Berlin vor ein paar Jahren feststellen konnte: In dem kleinen Kabuff hielten ausgefranste Lederriemen Zahnbürsten fest, und rostige Schrauben das kleine, quietschende Laufband zur Kosmonautenkörperertüchtigung.

Es braucht eben absolut kein Hightech, keine teure und langwierig programmierte Computeranimation, um eine hübsche Idee amüsant zu erzählen. Und weil Form und Rahmen stimmen, stört auch die oft bewusst holperige Dramaturgie des Formats kaum. Anstatt sie am frühen Abend und damit trashaffinen Erwachsenen und vor allem Kindern und Jugendlichen anzubieten, haben die Mainzer Planer die viertelstündigen Episoden übrigens ab Montag wöchentlich im Spätprogramm rund um Mitternacht verbuddelt.

Glücklicherweise haben sie jedoch unter www.ijontichy.zdf.de einen vorbildlichen und kurzweiligen Internetauftritt für den Raumpiloten geschaffen, samt umfassenden Nachschlagewerken (der „Kosmischen Enzyklopädie“) zu Außerirdischen und Raketenausstattung, einem Computerspiel („Im Prahlmodus auf Eierjagd!“) und sogar kompletten Folgen zum Herunterladen. Damit zumindest Menschen mit schnellen Leitungen ihren Lieblingsquatsch jederzeit genießen können.