Christen und ihre Gefühle

Nach der Intervention tiefreligiöser Eltern verbannt ein Chemnitzer Gymnasium Harry Potter aus dem Unterricht

Wenn schon Magie, dann bitte christliche! Zwei Elternpaare haben am Johannes-Kepler-Gymnasium im sächsischen Chemnitz mit Erfolg die Absetzung eines „Harry Potter“-Bandes als Unterrichtsmittel verlangt. Die Darstellung der Zaubergeister stehe im Widerspruch zur religiösen Erziehung ihrer Kinder, begründeten sie ihr Ansinnen. Die Eltern hätten sich in ihren religiösen Gefühlen als Christen verletzt gefühlt, sagte Schulleiter Stephan Lamm. Statt Potter werde nun das Rennschwein Rudi Rüssel behandelt.

Harald Lamprecht, Beauftragter der Evangelischen Landeskirche Sachsen für Weltanschauungsfragen, hält das Verbot für „unnötig und unsinnig“. Man könne die Kinder ohnehin von diesen „herrlichen“ Büchern nicht fernhalten.

Julia Bonk, schulpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, verlangte die Rücknahme der Entscheidung. Sie sei geradezu eine „Einladung an religiöse Fundamentalisten“. Nach der gleichen Logik müssten auch Grimms Märchen aus den Schulen verbannt werden. Bonk befürchtet, dass nun auch gegen die Evolutionstheorie, gegen Sexualkunde oder den Schwimmunterricht vorgegangen werden könnte. Gerhard Besier, Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, sprach von einer „beinahe hysterischen neuen Bekenntnislust einer christlichen Minderheit mit Mehrheitsanspruch“. Solche Art Kulturkämpfertum sei wirklich klugen Leuten fremd.

Sachsens Kultusministerium wollte den Vorfall nicht kommentieren und verwies auf die Lernmittelfreiheit der Schule. Inzwischen sollen andere Schüler der Klasse gegen die Absetzung des Potter-Romans protestiert haben. MICHAEL BARTSCH