Das Findelkind der Regierung

Die Biografie der heute 41-jährigen Fleur Pellerin liest sich wie ein Märchen. Nicht oft kommt es vor, dass ein Findelkind eine so steile Karriere macht und auf einem Spitzenposten in Pariser Regierungspalästen landet. Die neue französische Kulturministerin hieß ursprünglich Kim Jung Suk, als sie in Seoul auf die Welt kam. Und ihr Start ins Leben war denkbar brutal und schwer. Wenige Tage nach ihrer Geburt wurde sie auf der Straße ausgesetzt und kam in ein Waisenhaus. Als sechs Monate altes Baby aber wurde sie dann von einer französischen Familie adoptiert. Sie erhielt ihren neuen Namen und eine zweite Chance.

Mit 16 Jahren schloss sie die deutsch-französische Mittelschule von Buc mit dem Abitur ab. Anschließend absolvierte sie gleich drei der renommiertesten Eliteschulen Frankreichs. 2012 wurde sie erstmals Ministerin, nun ist die Amateurpianistin und Karaokesängerin zur Kulturministerin aufgestiegen.

Pellerin ist nicht nur wegen ihrer Herkunft eine Ausnahmeerscheinung. Anders als die allermeisten Kollegen und Kolleginnen im Kabinett ist sie keine Berufspolitikerin. Was sie nicht in politischen Hahnenkämpfen gelernt hat, bringt sie aus ihrer beruflichen Erfahrung als Spitzenbeamtin am Obersten Rechnungshof mit. Diese Erfahrung könnte ihr heute im Kulturministerium helfen, wo täglich um Kulturkredite gestritten wird.

Weniger als rührendes Kindermärchen, sondern eher als knallharte Geschichte einer gelungenen Revanche schildern die französischen Medien ihre Ernennung. Bei der Förderung der Onlineunternehmen war die anglofone, anglophile und kosmopolitische Pellerin mehrfach in Konflikt mit der vorherigen Kulturministerin Aurélie Filippetti und auch mit dem auf Wirtschaftspatriotismus pochenden Exminister Arnaud Montebourg geraten. Beim Filmfestival von Cannes im Mai wünschte Filippetti nicht, dass die elegante Außenhandelsministerin an ihrer Seite auf dem roten Teppich die berühmte Treppe zum Festivalpalast erklimmt. Pellerin musste durch den Hintereingang. Jetzt geht es für Pellerin in Paris ein paar Stufen höher hinauf, für die neidische Filippetti aber führte der Weg zum Notausgang.

RUDOLF BALMER