Tauziehen um Kinder

Die Gesamtschule Bergedorf soll 251 Fünftklässler aufnehmen – 91 zu viel. 30 von ihnen wohnen in Allermöhe. Dort gibt es auch eine Gesamtschule, aber die Eltern fürchten den Problemstadtteil

VON KAIJA KUTTER

In Bergedorf gibt es derzeit viel Aufregung um die Anmeldung für die fünften Klassen. Gleich 251 Kinder wurden an der Gesamtschule Bergedorf angemeldet. Das sind 91 zu viel, da die Räume maximal 160 Schüler fassen. Etwa 60 der Neuanmeldungen kommen aus den Vierlanden, wo es keine Gesamtschule gibt. 31 der neu angemeldeten Schüler stammen aus dem benachbarten Neuallermöhe, einer Neubausiedlung aus den 80er und 90er Jahren.

Dabei stünden für diese Schüler auch die Gesamtschulen in Lohbrügge und in Allermöhe zur Verfügung. Letztere verzeichnet 125 Anmeldungen. 65 Plätze sind vakant. „In früheren Jahren hat es hier nie Konflikte gegeben“, berichtet die Allermöher Unterstufenleiterin Annegret Hoffmann. Nach Gesprächen mit den Eltern sei es meist gelungen, die Kinder gleichmäßig auf die drei Schulen zu verteilen. Doch in diesem Jahr hat die Bildungsbehörde ein neues Verfahren verordnet. Wenn zu viele Kinder an einer Schule angemeldet werden, wird anhand der Fahrzeit zwischen Wohnort und Schule entschieden, welches Kind weichen muss.

Es wurde also umverteilt, und bald bekamen die Eltern der 91 „überzähligen“ Schüler den Ablehnungsbescheid der Gesamtschule Bergedorf. „Etliche wollen nicht nach Neuallermöhe ausweichen. Das Viertel hat keinen guten Ruf“, sagte die Bergedorfer Schulleiterin Renate Nietzschmann in der Bergedorfer Zeitung. Ein Satz, für den sie sich später bei der Leitung der Gesamtschule Allermöhe entschuldigte. „Es liegt mir fern, Ihre Arbeit zu diskreditieren.“ Doch in Anmeldegesprächen hätten Eltern auf ihre Hinweise, dass sie eng mit der Allermöher Schule kooperiere, gesagt, sie fürchteten den Stadtteil.

Bei einem Info-Abend in der Gesamtschule Bergedorf, an dem auch Behördenvertreter teilnahmen, machte die abgelehnten Eltern ihrem „Ärger Luft“, wie die Lokalpresse berichtete. Tags darauf entschied die Schulaufsicht, doch alle 251 Kinder in Bergedorf aufzunehmen. Hierfür will man Räume einer nahen Grundschule nutzen.

„Da kann ich nur noch den Kopf schütteln“, erbost sich die Allermöher Elternratsvorsitzende Ulrike Kirschner. „Da etabliert die Behörde ein neues Verfahren, und nur weil die Lokalpresse Druck macht, fällt sie um.“ Abgewandert seien leistungsstärkere Kinder, die in Allermöhe für eine Durchmischung der Lerngruppen gebraucht würden.

Obwohl die Allermöher Schule kaum Kinder mit Gymnasialempfehlung bekommt, besucht ein Viertel von ihnen später die Oberstufe. 42 Prozent schaffen den Realschulabschluss. „Die Übrigen machen den Hauptschulabschluss. Ganz wenige sind ohne Abschluss“, berichtet der Allermöher Schulleiter Bernd Martens.

Die Allermöher Elternratsvorsitzende Kirschner fürchtet, dass hier ein Exempel statuiert werde. Unverständlich sei dies auch, weil die Stadt andernorts versuche, mit Millionenbeträgen eine ausgeglichene Quartiersentwicklung zu fördern. Auch das Argument einiger Eltern, dass sie die Gesamtschule Allermöhe mieden, sie sich zur Ganztagsschule entwickele, findet die Elternrätin nicht stichhaltig: „Bergedorf hat auch einen Antrag auf Ganztagsschule gestellt“.

Doch genau hiermit begründet Sprecher Alexander Luckow das Einknicken der Bildungsbehörde: „Allermöhe wird ab 2007/2008 voll gebundene Ganztagsschule. Das trifft auf Bergedorf nicht zu“. Und die 30 Eltern hätten Allermöhe abgelehnt, weil sie keine Ganztagsschule wollten. Das sei ihr gutes Recht. Dennoch werde die Behörde Gespräche führen, um zu sehen, was man im nächsten Jahr anders machen könne.