Partei schlägt sich und verträgt sich – fast

Hamburgs SPD schart sich fast einstimmig hinter ihren Spitzenkandidaten Michael Naumann und den neuen Parteichef Ingo Egloff. Ein bisschen Krach aber muss weiterhin sein: Der Parteirechte Johannes Kahrs wurde mitleidlos abgestraft

Von Sven-Michael Veit

Ingo Egloff hatte es anders gemeint. „Wir müssen mit dieser SPD leben, so wie sie ist. Wir können uns keine andere Partei suchen“, befand der 50-Jährige in seiner Kandidatenrede für den Parteivorsitz. Was als Mahnung gedacht war, den wochenlangen Zwist in der Hamburger SPD versöhnlich zu beenden, interpretierten die 343 Delegierten auf dem Landesparteitag am Sonnabend auf ihre Weise: 96 Prozent Zustimmung für Egloff, gar 99 Prozent für den neuen Bürgermeister-Kandidaten Michael Naumann und eine herbe Abfuhr für Johannes Kahrs. Der machtgewohnte Chef des Parteikreises Hamburg-Mitte fiel bei der Vorstandswahl knallhart durch. „Das hatte er sich verdient“, grinste ein Abgeordneter der Bürgerschaft schadenfroh.

Dabei hatte alles so nett begonnen an diesem sonnigen Tag in einem Hotelsaal am grünen Stadtrand Hamburgs. Der scheidende Parteichef Mathias Petersen hatte zur Eröffnung der Versuchung widerstanden, Rechnungen zu begleichen. Seine Ambitionen auf die Spitzenkandidatur waren vor vier Wochen an den gestohlenen Stimmzetteln bei der Mitgliederbefragung gescheitert. Die SPD habe „keinen Familienkrach“, behauptete er nun, sondern sei „Opfer eines politischen Verbrechens“ geworden. Jetzt gebe es nur noch ein Ziel: den Wahlsieg 2008 über die CDU von Bürgermeister Ole von Beust. Mit stehendem Applaus verschafften die Delegierten ihm einen respektablen Abgang.

Geradezu enthusiastisch gefeiert wurde Michael Naumann. 65 Minuten lang hatte der bisherige „Zeit“-Herausgeber mit einer souveränen und humorvollen, zugleich aber programmatischen und in Richtung von Beust polemischen Rede die sozialdemokratische Seele gestreichelt. Minutenlange Ovationen und 339 Ja-Stimmen von 342 gültigen waren der Lohn für die 65-jährige „Kraft der Erneuerung“.

Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder war umjubelt worden, der eigens angereist war, um seinem ehemaligen Kulturstaatsminister Naumann den Rücken zu stärken und den Hamburger GenossInnen „Mut und den Glauben an euch selbst“ zuzusprechen.

Und Egloff, der als Integrator in der Partei weithin geschätzte Vizefraktionschef in der Bürgerschaft, wurde mit einem Traumergebnis dafür belohnt, dass er sich der Aufgabe stellt, als neuer Vorsitzender die tiefen Gräben quer durch die Partei zu überbrücken. Er wird viel zu tun haben, denn danach begann das Verteilen der Denkzettel.

Für die Gegner Petersens, die im Januar mit der Demontage des damaligen Parteichefs begonnen und damit – so nicht gewollt – die tiefe Krise der Hamburger SPD ausgelöst hatten, wurden die Vorstandswahlen zu Zitterpartien. Noch am besten erging es Inka Damerau, einer der vehementesten KritikerInnen Petersens.

Mit rund 64 Prozent wurde die linke Vorsitzende des Kreises Nord zur stellvertretenden Parteichefin gewählt, der zweite Vize, der Harburger Kreischef und Petersen-Gefolgsmann Frank Richter, erhielt 86 Prozent. Egloff hatte nachdrücklich „meinen Wunsch“ äußern müssen, beide Lager zu berücksichtigen.

Bei Kahrs aber ging nichts mehr. Zu vielen quer durch alle Strömungen gilt der rechte Bundestagsabgeordnete als intriganter Königsmörder. Mit 112 Ja- und 187 Nein-Stimmen wurde er aus dem Landesvorstand gekegelt, dessen „geborenes Mitglied“ er als Kreischef aber eigentlich ist. Die SPD-Satzung sieht jedoch den Fall nicht vor, dass ein Parteitag einem Kreisvorsitzenden die Akklamation versagt.

Egloffs erste Bewährungsprobe wird nun die Klärung sein, ob der Vormann des rechten Flügels Mitglied des Landesvorstands ist oder nicht. Eine formale Frage – mit politischem Sprengstoff.