Footballer in Frühlingsgefühlen

Das Footballteam von Berlin Thunder bereitet sich mit fünf anderen Mannschaften in Florida auf die Saison vor. Alle hoffen auf den großen Wurf. Für die Berliner stehen die Chancen gut – dank dem neuen Trainer, John Allen von den Amsterdam Admirals

„Der Zusammenhalt ist besser als im letzten Jahr“, findet Oliver Flemming

AUS TAMPA THOMAS WINKLER

Die Sonne brennt, die Temperaturen steigen bis auf über 30 Grad. Das, was nach Hochsommer klingt, heißt hier in Florida Frühling. Und der Frühling ist die Zeit der Hoffnung. Mehr als 300 Footballprofis hoffen doch noch auf die große Karriere, und sechs Mannschaften hoffen auf eine erfolgreiche Saison. Alle bereiten sie sich in Tampa auf die am 14. April beginnende neue Spielzeit der europäischen Tochter der National Football League vor.

Der Ableger der reichsten Sportliga der Welt hat sich für diese Saison umbenannt von NFL Europe in NFL Europa. Geändert worden mag nur ein einzelner Buchstabe sein, Rechnung getragen werden soll der Tatsache, dass fünf der sechs Teams in Deutschland stationiert sind. Sie alle machen sich Hoffnungen, in diesem Jahr Meister zu werden, denn altbekannte Favoriten oder Außenseiter gibt es in dieser Liga nicht – schließlich werden die Spieler jedes Jahr nahezu komplett ausgetauscht.

Noch hoffnungsvoller ist die Stimmung im Lager von Berlin Thunder. Denn dort wurde außerdem der Trainerstab erneuert. Für Chefcoach Rick Lantz, der nach drei Jahren nach Düsseldorf zu Rhein Fire wechselt, kommt John Allen. Er war in den letzten beiden Jahren als Offensive Coordinator für den Angriff der Amsterdam Admirals verantwortlich. Sein Team erreichte als das einzige nicht in Deutschland stationierte NFL-Europa-Team jeweils die World Bowl.

Ein neuer Trainer bringt neue Methoden mit. Das Training in Tampa, so berichten die wenigen Spieler, die schon unter dem ehemaligen Marine Lantz trainierten, ist diesmal weniger intensiv. Dafür ist Thunder bislang von einer Verletztenmisere verschont geblieben, wie sie im vergangenen Jahr das Hauptstadtteam heimsuchte und ursächlich zu einer verkorksten Saison mit nur zwei Siegen beitrug. Auch scheint der neue Cheftrainer, mit 34 Jahren der jüngste in der Geschichte der NFL Europa, bei der Auswahl der Spieler eine glückliche Hand gehabt zu haben. Eine „gute Mischung“ habe der gefunden, findet Safety Oliver Flemming: „Der Zusammenhalt ist besser als im letzten Jahr. Damals gab es ein paar, die wollten gar nicht in Europa sein.“

Der Verteidigungsspezialist Flemming muss es wissen. Er spielt nun seine dritte Saison bei Thunder, ist als National eine der wenigen Konstanten in der Liga. Flemming ist „begeistert vom neuen Trainer“. Das beruht auf Gegenseitigkeit: Auch Coach Allen ist zufrieden mit seinem Team, hat vor allem weitgehend einwandfreie charakterliche Qualitäten bei seinen Schützlingen festgestellt, aber weiß auch: „Es gibt noch viel Arbeit“, bevor das Team sich am 2. April auf den Weg nach Berlin begibt.

Das bestätigte sich am Samstag bei einem Test im Trainingslager. Bei einer gemeinsamen Trainingseinheit mit den Cologne Centurions unter Wettkampfbedingungen konnte der Thunder-Angriff immerhin zwei Touchdowns erzielen. Das Passspiel funktioniert schon recht gut bei dieser Gelegenheit, der Laufangriff zeigte gute Ansätze. Allen zeigte sich anschließend aber vor allem mit der Verteidigung zufrieden: „Die finden momentan wirklich zusammen.“

Und wenn das taktische Know-how nicht ausreichen sollte, gibt es andere Methoden: „Ihr könnt mir glauben“, versicherte der sonst eher durch freundliche Zurückhaltung glänzende Allen den mitgereisten Journalisten, „ich kann jemandem auch in den Arsch treten.“

Nach den vielen Niederlagen im vergangenen Jahr wäre es wichtig für den Berliner Standort, wenn der neue Headcoach das Hauptstadtteam in die Erfolgsspur zurückführen könnte. Wenn die Mannschaft wieder konkurrenzfähig ist und bis zum Ende der zehn Spiele dauernden Saison Chancen hat, sich für das Finale zu qualifizieren, so die Hoffnung bei Thunder, wird auch der in den letzten Jahren zu beobachtendende Abwärtstrend bei den Zuschauerzahlen gestoppt werden können.

Neue Zielgruppen soll aber auch ein verändertes Unterhaltungskonzept erschließen. Noch in der Planungsphase sind Überlegungen, für die sogenannte Power Party vor dem Kick-off nicht nur hoffnungsvolle Nachwuchsbands zu präsentieren, sondern einige der Heimspiele mit kompletten Konzerten prominenter Rockbands zu kombinieren. Aber sollte es Allen gelingen, mit Thunder eine ähnliche Offensiv-Show aufzuführen wie in den letzten Jahren in Amsterdam, werden keine Rockstars nötig sein, um zusätzliche Zuschauer ins Olympiastadion zu locken.