Komödie vor St. Kilda

Weil ein Sturm aufkommt, wird das 25-Kilometer-Rennen der Langstreckenschwimmerinnen in zwei Etappen ausgetragen. Weltmeisterin Britta Kamrau-Corestein ist darüber wenig erfreut

AUS MELBOURNE ANDREAS MORBACH

Der kleine böse Fingerzeig zum Abschied musste dann doch noch sein. Zeit genug, die Empörung über die Funktionäre des Schwimm-Weltverbandes (Fina) in sich wachsen zu lassen, hatte Britta Kamrau-Corestein schließlich gehabt. Um genau zu sein: Von Samstagmittag um kurz vor eins, als die Fina-Vertreter die Langstreckenschwimmerinnen bei ihrem 25-km-Rennen nach knapp 13 Kilometern aus dem von heftigen Winden aufgepeitschten Meer holten bis Sonntagvormittag um fünf nach zehn, als die Frauen von ihren schlecht vorbereiteten Verbandsoberen zum zweiten Teil ihres Wettkampfs, der eigentlich als Einteiler geplant war, ins Wasser geschickt wurden.

Die Warmduscherin

Klar in Führung – mit vier Minuten Vorsprung auf ihre Verfolgerinnen – hatte Kamrau-Corestein schon nach dem ersten Teil der Melbourner Schwimm-Komödie gelegen. Und Erste – mit 2:27 Minuten nicht mehr ganz so eindeutig – war die Rostockerin in der Bucht von St. Kilda auch am Ende. Doch kaum war die völlig erschöpfte Weltmeisterin nach ein paar Luftjapsern hinter der Ziellinie wieder einigermaßen bei Kräften, sortierte sie ihre aufgeweichten Finger, suchte die pausierende Teamkollegin Stefanie Biller auf der schwimmenden Plattform neben ihr und streckte ihr die steif gefrorenen Mittelfinger der linken und rechten Hand entgegen. Eine unfeine Geste, die Frau Biller bestens verstand. Gegolten hatten Kamraus Mittelfinger allerdings nicht der 21-jährigen Burghausenerin, sondern den Damen und Herren der Fina, die mit den Ausdauerschwimmerinnen am Wochenende ein bisschen Funktionärs-Jojo gespielt hatten.

„Das war doch eher spaßig gemeint – in Anlehnung an das, was ich am Samstag gesagt habe“, behauptete die Siegerin, nachdem sie ihren abgekühlten Körper eine Viertelstunde lang unter die warme Dusche gehalten hatte. Und gesagt hatte die angehende Juristin am Samstag unter anderem dies: „Das ist doch nur noch peinlich hier.“ Weil die Fina-Chefs ihre Langstreckenschwimmer, die im nächsten Jahr immerhin ihre Olympia-Premiere feiern, mal eben in eine WM schickten, ohne klare Regeln für bestimmte Situationen zu haben, wie sie unter freiem Himmel nun einmal auftreten können. So blies am Samstag in der Bucht von St. Kilda ein strammer Wind, der die Wellen zwei Meter hoch auftürmte, die Schwimmer im Wasser wie lebende Puppen hin und her warf und die WM-Organisatoren zum Rennabbruch zwang.

So weit, so heftig. Richtig bizarr wurde die Angelegenheit erst in den Stunden nach dem Not-Stopp, als die technische Kommission der Fina erst einmal drei Stunden lang ihre löchrigen Statuten studieren musste, um die Samstagszeiten und die entsprechenden Platzierungen an der 12,5-km-Marke schließlich als Zwischenresultat zu werten und die Dauerkraulerinnen am nächsten Tag zur Fortsetzung auf die Strecke zu schicken. Im Herbst 2004 war Britta Kamrau nach einem abgebrochenen Weltcup-Rennen als Führende schon einmal zur Siegerin erklärt worden; in Melbourne schwankten die Überlegungen nun zwischen WM-Gold nach 12,5 km für Kamrau-Corestein und dem Gerücht eines Neustarts. „Ich wusste am Sonntagmorgen nicht einmal, ob wir auch wirklich mit dem Abständen vom Samstag starten würden“, mokierte sich die 27-Jährige nach ihrem Sieg, schnippte ein paar Sandkörner von den Zehen und lästerte: „Man weiß ja nie, was sich diese tollen Organisationsmenschen so alles ausdenken.“

Wenig erfreut über die Theateraufführung von St. Kilda war auch Titelverteidigerin Angela Maurer, zumal sie ihren dritten Platz bei Halbzeit gestern noch verlor und hinter der WM-Zweiten Kalyn Keller (USA) und der Russin Ksenia Popova als Vierte aus den Medaillenrängen rutschte. „Die Amerikanerin ist einfach vorbeigezischt“, rekapitulierte Maurer den Ausgang des stürmischen Rennens, in denen die Kamrau-Jägerinnen lange Zeit in einem Vierer-Pulk geschwommen waren. Es sei „schon komisch, dass man die 25 Kilometer in zwei Teilen schwimmt“, klagte die 31-jährige Verwaltungsfachangestellte noch leise, ehe sie das Feld für ihre siegreiche Teamkollegin räumte.

Die Sturmerprobte

Und Britta Kamrau-Corestein gefiel sich in der Rolle der Sturmerprobten ausgezeichnet, zumal sie in Melbourne auf die gewohnte Unterstützung ihres Heimtrainers Christian Bartsch und ihres argentinischen Ehemanns Augusto Corestein verzichten musste. „Ihn hätte ich schon gerne in einem Begleitboot bei mir gehabt“, grüßte sie den Gatten in Deutschland, um sich noch einmal ihrem Weltverband zu widmen. „Mit den ganzen Ereignissen hier hat sich die Fina keinen Gefallen getan“, erklärte die frischgebackene Weltmeisterin barsch und zischelte sodann: „Ich habe meinen Zweifel, ob Langstreckenschwimmen auch nach 2008 noch olympisch ist.“

Ihr jedenfalls kann es egal sein, nach aktuellem Stand will sich Britta Kamrau-Corestein im Jahre 2009 verabschieden. Vom Langstreckenschwimmen – und von den Fina-Funktionären.