Jogis erstes Meisterstück

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft besiegt in der EM-Qualifikation Tschechien mit 2:1. Eine Abwehr wie eine Mauer, ein intelligentes Mittelfeld und Stürmer wie Giftpfeile sind das Erfolgsrezept

„Diese Mannschaft spielt Fußball, das ist das Schöne“

AUS PRAG ANDREAS
RÜTTENAUER

Er war einst Anführer der Rumpler, er war Teil peinlicher Mannschaften in Schwarz-Weiß. Er hat den deutschen Fußball nur deswegen vor dem Absturz ins Bodenlose bewahrt, weil es ihm regelmäßig gelungen ist, irgendwie doch ein Tor zu erzielen. Michael Ballack hat viel durchgemacht in den letzten Jahren. Er weiß, was ein Sieg gegen die Mannschaft der Tschechischen Republik bedeutet, ein Auswärtssieg in der EM-Qualifikation. Es war ein Auftritt, der es in sich hatte. Der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft war einfach nur glücklich nach dem 2:1 am Samstagabend in Prag. „Diese Mannschaft spielt Fußball, das ist das Schöne“, sagte er nach dem Spiel.

Auch dem Bundestrainer ging es gut an diesem Abend. Überschwänglich wirkte er jedoch nicht. Im Presseraum des Spartastadions saß er auf einem Heizkörper und wartete, bis Karel Brückner, der Trainer der Tschechen, seine Ausführungen beendet hatte. Löw hörte sich die Lobhudeleien Brückners an, ohne eine Miene zu verziehen. Dieser redete viel von der Qualität, die seiner Mannschaft gefehlt habe, von der Qualität, die das Spiel der Deutschen so stark gemacht habe. „Ein so starker Gegner ist schon lange nicht mehr hier angetreten“, sagte er. Nein, wehrte er ab, er habe die Mannschaft taktisch nicht falsch eingestellt. „Wir hätten auch dann keine Chance gehabt, wenn wir defensiver gespielt hätten“, sagte Brückner. Er war beeindruckt, ratlos, was seine eigene Mannschaft betrifft, und voller Respekt für die Leistung der Deutschen.

Dann war endlich der deutsche Bundestrainer an der Reihe. „Wir hatten uns das vorgenommen“, meinte er – als wäre es das Einfachste der Welt, eine Mannschaft wie die tschechische derart zu dominieren, wie es die Deutschen am Samstag taten. Seine metaphorisch angereicherte Analyse: „Die Abwehr stand wie eine Mauer, das Mittelfeld hat sehr intelligent agiert, und die Stürmer sind wie Giftpfeile in die Abwehr der Gegner gestoßen.“ In der Tat konnten sich die Tschechen, die immer wieder versuchten, mit hohen Bälle in das Sturmzentrum den hünenhaften Jan Koller zu bedienen, kaum eine Torchance erarbeiten. Manchmal gelang es Koller seinen mächtigen Körper vor seine Gegenspieler zu stemmen, doch Gefahr verbreitete er nicht. Löw meinte dazu beinahe schon gönnerhaft: „Wenn keine Gefahr bestand, haben wir ihn den Ball auch einmal annehmen lassen.“

Ein perfektes Spiel war es jedoch nicht, das die Deutschen da abgeliefert haben, aber ein beeindruckendes. Denn trotz aller Fehler, die beispielsweise Bastian Schweinsteiger oder Philipp Lahm, der die rechte Außenbahn zu bearbeiten hatte, immer wieder unterliefen, entstand nie der Eindruck, die Deutschen könnten das Heft des Handelns aus der Hand geben. Es wurde keinem Ball nachgetrauert, es wurde nachgesetzt. Michael Ballack und Torsten Frings nahmen den Gegner die Bälle reihenweise vom Fuß und ließen sich bei der Spieleröffnung immer wieder etwas Neues einfallen. Das hat dem Bundestrainer besonders gut gefallen. Er schilderte kurz, wie er sich die Spielweise seiner Mannschaft vorstellt: Die Abwehr muss stabil stehen, die Außenverteidiger immer da sein, auch wenn sie immer wieder die weiten Wege gehen müssen. Denn Löw erwartet von ihnen, dass sie sich, so oft es geht, am Angriffsspiel beteiligen. „Die müssen rackern“, sagte er. Die Innenverteidiger müssen wach sein. Per Mertesacker und Christoph Metzelder gelang genau dies. Sie überzeugten durch ihr Stellungsspiel und ihre körperliche Präsenz im Zweikampf. Sie waren nie zu spät und mussten ihre Gegenspieler nie mit einem Foul bremsen. Darauf war ihr Trainer besonders stolz. Während die Verteidigungsreihe also stehen muss, darf, so sagte Löw, im Spiel nach vorne „kein Stein auf dem anderen bleiben“. Dort ist Bewegung gefragt. Kein Angriff soll dem anderen gleichen, mit jedem Pass möglichst ein Raumgewinn erzielt werden. Bernd Schneider und Bastian Schweinsteiger hatten in der Tat immer wieder Ideen, mit denen sie die Tschechen überraschen konnten. Und vorne spielten mit dem agilen Lukas Podolski und dem Doppeltorschützen Kevin Kuranyi zwei Stürmer so, als hätten sie schon ganz oft zusammen gespielt.

Ja, sie haben wirklich Fußball gespielt an diesem Abend. Sie haben das Spiel bestimmt. Die Atmosphäre im engen und ausverkauften Sparta-Stadion schien die Mannschaft regelrecht zu stimulieren. „Uns hat es Spaß gemacht, hier zu spielen“, sagte Marcell Jansen, der auf der linken Außenbahn derart selbstbewusst auftrat, dass sich die Frage aufdrängt, ob er nicht immer da spielen solle. Ebenso kann man sich Kevin Kuranyi als Stammspieler vorstellen. Joachim Löw sieht das anders. Er orientiert sich nicht an Personen, er glaubt an sein System.

Wie er es schafft, die Personen, die er zur Verfügung hat, so vorzubereiten, dass eine deutsche Fußballnationalmannschaft als Favorit auf den Titel des Europameisters bezeichnet werden darf, das wollte, das konnte Löw nicht erklären an diesem Tag, an dem er sein erstes echtes Meisterstück abgeliefert hat. Sätze wie: „Wir haben die ganze Woche nur von Sieg gesprochen“, hören sich zwar nach einem Erfolg immer überzeugend an – und können doch die Frage nicht beantworten. Das Team, das gestern die Tschechische Republik bezwungen hat, ist gewiss nicht die beste Nationalmannschaft, die je für Deutschland unterwegs war. Es dürfte aber kaum eine gegeben haben, die besser vorbereitet wurde. Der Bundestrainer hat eine Idee vom Spiel und es gelingt ihm, diese den Spielern beizubringen. Die Deutschen spielen Fußball. Das ist schön. Ihr Trainer hat es ihnen beigebracht.